Kommen Studenten finanziell auf ein „menschwürdiges Existenzminiumum?“

Ich bin bei meiner Bank um einige Fragen zwecks EC- Karte zu klären, als mich der freundliche Mitarbeiter am Ende des Gespräches fragt: „Was tun Sie eigentlich für Ihre Altersvorsorge?“
Freundlich gebe ich zurück, dass ich studiere und froh sei, wenn das Geld überhaupt reicht, woraufhin ich angelächelt werde und der freundliche Herr behauptet: „Na 10 bis 20 Euro werden doch wohl am Ende noch übrig sein?“

geld

Was tun Sie eigentlich für die Altersvorsorge?
Bild: creativ collection

Daraufhin denke ich nur noch eines: Nein. Wo sollen die denn herkommen? Banken mögen das Geheimnis kennen, wie man Geld vermehrt, mein Konto kennt es leider nicht.

Ich lese am 21. Okt. 2009 einen Artikel bei Spiegel Online, der sich mit der Klage eines ALG-II- Empfängers beschäftigt. Es geht unter anderem darum, auf welcher Grundlage der Regelsatz berechnet wird. Viele Punkte kann ich gut nachvollziehen. Mir stößt dabei nur eines bitter auf: Wer den Regelsatz von Hartz IV bekommt, hat im Monat mehr Geld als ich.

Hier einmal meine ganz persönliche Studentenrechnung:

Ich studiere Humanmedizin, lebe von Kindergeld und dem mir  zustehenden Unterhalt meiner Eltern. Das sind insgesamt genau 640 Euro. Es ist, nebenbei bemerkt, interessant, dass Bafög inzwischen einen Bedarf von 680 Euro berücksichtig. Aber bleiben wir bei den 640 Euro.

Der Regelsatz für Hartz IV liegt laut Spiegel Online bei 359 Euro. An diesem Punkt der Rechnung liegt der Student also finanziell klar vorne.

Jetzt geht Miete ab. Aber nur beim Studenten, denn Wohngeld und Heizkosten sind bei Sozialhilfeempfängern eine zusätzliche Leistung des Staates. Ich wohne in  einer relativ preiswerten Stadt, was die Wohnkosten angeht.
Legen wir hier also meine eigene Miete zugrunde. 270 Euro warm für eine gemütliche 1-Raumwohnung mit 31 qm. Bleiben für mich noch 370 Euro. Ich liege also immer noch vorne.

Für Strom bezahle ich 40 Euro im Monat, bei Hartz IV laut Spiegel Online auch im gesonderten Wohngeld enthalten sind. Ich habe jetzt noch 330 Euro – und liege damit zurück.

Spaßeshalber rechne ich noch ein bisschen weiter.

Regelmäßiges Essen in der Mensa kostet mich monatlich etwa 180 Euro. Hierbei nehme ich mal an, dass ich Montag bis Freitag in der Mensa für 2,50 pro Tag esse – und da esse ich nicht das teuerste Gericht – dass ich am Wochenende für mich selbst koche, jeden Tag frühstücke und nicht nur Leitungswasser trinke, sondern auch mal Saft. Ich glaube, da sind 180,- Euro sogar noch ein bisschen niedrig angesetzt.
 
Abzüglich 30 Euro für Telefon und Internet bin ich bei 120 Euro im Monat, die übrig bleiben.

Für Hygieneartikel wie Duschbad, Shampoo, Tampons, Pille und Ähnliches gehen noch einmal rund 30 Euro monatlich drauf.

Zu meiner freien Verfügung habe ich jetzt noch 90 Euro. Das klingt wahnsinnig viel. Ist es rein rechnerisch gesehen auch.
Und zumindest meine menschlichen Grundbedürfnisse sind fast befriedigt.

In meinem Fall kommen monatlich noch spezielle Medikamente hinzu, plus alle drei Monate die Praxisgebühr. Sind zusammen pro Monat auch fast 10 Euro.

Schon bin ich bei 80 Euro.

Alles was jetzt kommt ist Luxus. Ich habe mir bis zu dieser Stelle übrigens noch keine Bücher oder sonstigen Unterlagen für mein Studium gekauft.

Nehmen wir als Beispielmonat einen typischen Oktober:

Das Semester geht los. Dieses Jahr fange ich mit folgenden Fächern an: Innere, Chirurgie, Gyn, Rechtsmedizin, Pädiatrie und Anästhesie. Ich kann mir gar nicht für alle Fächer ein Buch kaufen; das kann ich mir einfach nicht leisten. Allein für zwei meiner Meinung nach notwendigen Bücher (ein kleines Innere- und ein preiswertes Chirurgie-Buch) habe ich insgesamt 97 Euro ausgegeben.

Nun stimmt der Einwand, dass ich mir nicht jeden Monat Bücher kaufen muss. Aber auch als Student braucht man mal neue Schuhe, oder einen neuen Wintermantel. Und auf einmal sind die 80 Euro gar nicht mehr viel.

Nur als Denkanstoß: In meinem Bekanntenkreis gibt es einige Freunde, die Fernbeziehungen oder ihre Eltern regelmäßig besuchen möchten. Pendeln ist auch nicht billig. Und auf vielen Strecken gibt es nicht viele Mitfahrgelegenheiten.

Wir sind jetzt rechnerisch schon im Minus…

Als Studentin an einer Uni ohne Studiengebühren habe ich auch fast vergessen, dass es ja Universitäten gibt, die zusätzlich zu den Semestergebühren (wovon bezahlt man die jetzt im Januar und Juli?) auch noch die Studiengebühren kommen.

Zu meinem weiteren “Luxus”:

Mein Fernseher ist uralt und hat am unteren Rand 5 cm kaputte Bildröhre, wo einfach kein Bild erscheint. Man könnte auch sagen: Er ist hinüber. Eine Stereoanlage habe ich zwar, aber auch die ist bald 10 Jahre alt. Meine “Rechenmaschine”, also der Uralt-PC, an dem ich arbeite, ist mehr als hinüber. 512 MB Arbeitsspeicher sind heutzutage einfach nicht mehr ausreichend –  drei Anwendungen gleichzeitig, also Internet, Antivirenprogramm, und wahlweise Word oder Powerpoint sorgen für einen Absturz. Ich bin in dieser Hinsicht froh, dass ich Medizin studieren und die meisten Vorlesungen als pdf im Internet stehen – aber auch hier ist nicht garantiert, dass mein Rechner das Downloaden überlebt… Aktuelle Internet-Updates musste ich deaktivieren, weil die neues Tools den Rechner einfach überfordern.

Ich bin mir sicher, dass ich nicht die einzige Studentin bin, die von 640 Euro im Monat lebt. Ich bin mir sogar sicher, dass es Studenten gibt, die noch weniger haben. Und ich kann zumindest für mich sagen, dass ich nicht unbedingt schlecht lebe, zumindest finde ich nicht, dass ich menschenunwürdig lebe. Wenn ich allerdings lese, was Spiegel Online schreibt, bin ich eigentlich dafür, dass der Bedarfssatz für Studenten noch mal berechnet wird. Und zwar inklusive Büchergeld.

Aber wenn man das so erzählt, dann bekommt man nur zu hören: “Du bist Student, du kannst doch nebenbei arbeiten!

Könnte ich, das ist wohl wahr. Allerdings frage ich mich , wie von mir zusätzlich dann noch erwartet werden kann, dass ich all das in Regelstudienzeit schaffe.
Ich studiere Medizin. Wann soll ich denn noch arbeiten? Und lernen? Und essen? Und hin und wieder schlafen wäre auch nicht schlecht. All das in sechs Jahren.

Vielleicht sollten Studenten mal darüber nachdenken, mehr zu verlangen anstatt immer mehr zu arbeiten und immer weniger zu studieren.

…ist meine Meinung…

*Der Name der Autorin des Gastbeitrags ist der Redaktion bekannt.

 

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