Dann stehen wir im Schockraum und warten.
Schwester Anna räumt mit den Gerätschaften herum, Gaby hat sämtliche Türen geöffnet und den Weg frei gemacht. Sarah und ich stehen frierend in der Gegend herum, ein wenig wie bestellt und nicht abgeholt. Keiner sagt etwas.
Draußen wird immer noch geknallt und geböllert. Im Wartezimmer wird gegrölt und gejammert. Aus einer der Aufnahmekabinen ruft jemand nach der Schwester. Das ist Frau Waffenschmidt, die ist dement und aus dem Altenheim und ruft seit zwei Stunden schon ständig nach der Schwester. Zwar bin ich noch lange keine zwei Stunden hier, aber ich kenne Frau Waffenschmidt, die war oft genug bei uns auf Station und da hat sie Tage- und nächtelang nach der Schwester geschrieen, auch wenn selbige gerade vor ihrem Bett steht.
Ist da ein Martinshorn zu hören?
Und dann biegt der Rettungswagen auch schon um die Ecke. Hält an und zwei Herren in Rot laden eine Trage aus. Der Notarzt grüßt kurz und betet dann seine Informationen herunter: „…Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma, Bewußtseinseintrübung, Kreislauf inzwischen stabil, Blutdruck hundertzehn zu sechzig, aber tachykard…“
„Was habt Ihr ihm gegeben?“ fragt Schwester Anna.
„Eine halbe Ampulle Morphium und…“
„Nein!“ schreit Schwester Gaby, sie ist käsebleich im Gesicht, „Das gibt’s doch nicht!“
Ich folge ihr und merke, daß meine Knie butterweich geworden sind.
Mir wird übel. Dieser Geruch. Dieses wohlvertraute Schockraum-Nachtdienst-Aroma!
„Wie ist das denn passiert?“ frage ich.
„Unser Patient ist mit einem Streufahrzeug kollidiert und ein Stück mitgeschleift worden!“ berichtet der Notarzt.
„Der Fahrer des Streufahrzeugs steht unter Schock. Zum Glück hat ein zufällig vorbeikommender Autofahrer gleich einen Notruf abgesetzt und vor Ort Erste Hilfe geleistet.“
Das Würgegefühl wird immer stärker. Mir wird schummerig. Es geht nicht mehr, ich muss jetzt kotzen.
Mit letzter Kraft schleppe ich mich zur Herrentoilette.
Dann wird alles schwarz.
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