Die Bundesregierung hat es vorgemacht: Der Bundesgesundheitsminister ist ein Arzt und hat eine Kollegin im Sozialministerium. Da dürfen die öffentlich-rechtlichen TV-Programme nicht nachhängen. Seit September steht in der NRD-Freitagstalkshow der Moderatorin Bettina Tietjen der Kabarettist und promovierte Mediziner Eckart von Hirschhausen zur Seite. Als Trendsetter darf man den WDR betrachten, der schon seit 2001 Ludger Stratmann mit “Jupps Kneipentheater im Pott” auf den Sender schickt. Einen Arzt mit jahrelanger Erfahrung in niedergelassener Praxis.
Nach einem einwöchigen Test im Oktober 2009 nahm das ZDF nun den Medizin-Talk Die Ärzte ins Vormittags-Programm. Dort dürfen gleich vier Ärzte mit Medizin die Hausfrauen unterhalten. Unter ihnen Joe Bausch, Arzt und Regierungsmedizinaldirektor in Dienste der NRW-Justiz. Wieder war der WDR vorne dabei: Bausch praktiziert seit Jahren im Kölner Tatort als Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth. Für die Comedy sorgt der Kabarettist und Arzt Lüder Wohlenberg.
Der SWR führt derzeit in acht Folgen die Zuschauer nach Heidelberg, in die grösste orthopädische Universitätsklinik Deutschlands. Die Knochen-Docs werden “bei ihrer oft riskanten Arbeit begleitet”.
Und es gingen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel, und er heilte sie (Matth. 21:14).
Nur der NDR muss in der Comedy-Reihe Das Wartezimmer mit Marlene Jaschke ohne Mediziner auskommen. Auch echt: Denn das beste an einem Arztbesuch ist das Wartezimmer.
Die Ärzte – Medizin-Talk im ZDF:
Wie der Name schon verrät, nicht Medizin-Info, sondern Talk – Unterhaltung ist angesagt. Folglich dachte ich, dass jeden Moment die Studio-Security mit den Zwangsjacken hereinstürmt, als die Ärzte und Frau Ballschuh mit einem Qi-Gong-Guru durch die Dekoration hüpfte. Aber Spass beiseite:
Absolut mit Vorsicht und Skepsis sind die populären Empfehlungen der Mediziner zu geniessen. Frau Ballschuh hat von Medizin keine Ahnung und die drei Mediziner möchten sich gern beim Publikum einschmeicheln. Dabei werden einige falsche und unseeriöse bis unverantwortliche Aussagen gemacht und falsche Empfehlungen gegeben.
Nur einige Beispiele: Der in einer Sendung eingeladene Kölner Orthopäde behauptete, dass jede Meniskusverletzung eine Indikation zur Arthroskopie sei. Falsch. In einer weiteren Sendung behauptet Dr. Kurscheid, dass ein Quentchen Alkohol nach dem Essen die Verdauung fördere. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn Frau Ballschuh mit kokettem Lächeln verkündet, dass unter anderem regelmäßiger Alkoholkonsum in tolerierbarem Masse Garant eines langen Lebens ist, so behaupt z. B. der renommieerte Gastroenterologe und Hepatologe Prof. Dr. Wolf Schmiegel, UNI Bochum, etwas ganz anderes.
Ebenfalls völlig überholt ist die Empfehlung, bei Calzium-Oxalat-Nierensteinen den Konsum von Milchprodukten zu reduzieren. Prophylaxe der ersten Wahl wäre hier die Verdoppelung, mindestens radikale Erhöhung der Trinkmenge angesagt. Davon jedoch kein Wort. Kalziumreduktion ist ein alter Ladenhüter aus der Zeit der Urologiepäpste Aken und Sökeland in den 70er Jahren. Heute sollte auch Allgmeinmediziner bekannt sein, dass nicht die Hyperkalzurie sondern die Hyperoxalurie für die Bildung von CaOx-Seinen verantwortlich ist. Kaalzium bindet sogar die Oxalsäure im Darm.
Ich habe mich an die Redaktion, an Frau Ballschuh persönlich und an Herrn Dr. Kurras per e-mail gewandt und darum gebeten, die von mir im einzelnen aufgelisteten und als Falschaussagen von mir näher beschriebenen und detailliert widerlegten Behauptungen zu korrigieren.
Es gibt bis heute keine Reaktion, keine Antwort, keine Korrektur in der Sendung.
Auch Fragen nach der Fortbildung, dem Abonnement und der Lektüre von med. Fachzeitschriften (Lancet, Deutsches Ärzteblatt, Sportmedizin usw.) in Bezug auf die drei “Experten” wurden nicht beantwortet. Mit einer weiteren Frage eines Zuschauers, ob man mit chronischer Hepatitis C einen Marthon laufen kann, schienen die Ärzte ebenfalls überfordert zu sein. Vor diesem Hintergrund bekommen die permanenten Aufforderungen von Frau Ballschuh, die Zuschauer mögen doch bitte per e-mail Ihre Fragen an das Team senden, einen zynischen Charakter.
Hier wird das Bild des Arztes in der Öffentlichkeit beschädigt, weil nicht zuletzt die Kritikresistenz und Ignoranz des gesamten Teams das Drehbuch schreiben.