Was in dieser Nacht geschah (Teil 4)

Jenny schaut mich fragend an.
Ich schüttele den Kopf
„Taxi ist nicht!“
„Und wie kommen wir dann ins Krankenhaus?“
„Ich bring Euch hin!“ sagt Marvin.
Jenny strahlt.
„Echt? das würdest Du tun?“
Marvin sagt nichts und deutet uns mit einer Kopfbewegung an, zu folgen. Mr. Zerberus schaut demonstrativ in eine andere Richtung, als wir an ihm vorbei zum Parplatz dackeln.
Marvin schwankt bedenklich und braucht verdächtig lange, um den Autoschlüssel zu finden. Natürlich will der Wagen auch jetzt wieder nicht anspringen. Marvin flucht mit schwerer Zunge und mir wird schlagartig bewußt, dass das alles vielleicht doch keine so gute Idee ist. In meinem Magen meldet sich ein flaues Gefühl.
„Hättest Du was dagegen, wenn ich mich hinters Lenkrad setze?“ frage ich vorsichtig.
„Nee, geht schon!“
Der Motor rumpelt, öttelt und heult auf, dann löse ich vom Beifahrersitz aus diskret die Handbremse und wir ruckeln auf die schneebedeckte Straße. Mehrmals kommen wir dem Bordstein bedenklich nahe, schwenken dann elegant bis auf die Gegenfahrbahn, touchieren einmal fast ein parkendes Auto und biegen ungebremst um eine Kurve. Gibt es in dieser Stadt eigentlich keine Räumfahrzeuge? Das Grummelgefühl in meiner Magengrube verstärkt sich jedenfalls zu einem ordentlichen Brechreiz.
Kurz vor dem Krankenhaus steht eine Polizeistreife.
Marvin tritt auf die Bremse, der Wagen schlingert und rutscht und kommt unmittalbar vor den Bullen zum Stillstand.
Ich kurbele das Fenster runter.
„Sorry, es ist ein Notfall…“
Die überraschten Gesetzeshüter winken uns durch.
Am Krankenhaus läßt Marvin uns mit laufenem Motor aussteigen.
„Ihr kommt alleine klar? Dann fahre ich mal wieder zurück!“
Definitiv keine gute Idee, denke ich, aber ich bin nicht sein Gewissen und bedanke mich stattdessen tausendmal bei ihm dafür dass er Leben und Führerschein aufs Spiel gesetzt hat um uns zu helfen. Und ganz nebenbei bin ich viel zu froh darüber, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Jenny ist längst – überraschend schnell und völlig ohne meine Hilfe – bis zur Eingangstür gelaufen. Ich drücke Marvin nochmal die Hand, dann braust er mit heulendem Motor in Schlangenlinien davon.
Jenny und ich betreten das wohlbekannte Gebäude und begeben uns Pförtner vorbei entlang der Blutspur in die Ambulanz.
Im Wartezimmer herrscht Party-Atmosphäre. Der Laden ist fast so voll wie das Lokal, welches wir vor einer Viertelstunde verlassen haben. Die Stühle sind alle besetzt, so nimmt Jenny auf einem Heizkörper Platz während ich mich hinter die Kulissen begebe.
Da ist Schwester Anna und bemüht sich, das Chaos halbwegs unter Kontrolle zu haben.
„Hat Sarah Dich angerufen? Schön, dass Du uns helfen willst! Du siehst ja, was draußen los ist, momentan können wir jede Hand gebrauchen!“
Ich druckse etwas herum, werfe mir einen weißen Kittel über, nehme mir einen Röntgenschein, und trete dann wieder ins Wartezimmer um Jenny an der Warteschlange vorbei in die Röntgenabteilung zu bugsieren.

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