Was wirklich geschah in jener Nacht…

Marvins Karre stammt noch aus dem letzten Jahrtausend und will nicht anspringen.
Also etwa fünf Minuten Orgeln, Fluchen und gute Worte, dann geht’s doch und so tuckern wir stadtauswärts, dem „Delirium“ entgegen.
Um uns herum tänzeln ein paar Schneeflocken und im Gewerbegebiet tänzeln die himmelwärts gerichteten Flakscheinwerfer (wie heißen die Dinger nochmal auf Neudeutsch? Egal!), welche von der Nähe unseres Ziels künden.
„Geht schonmal vor, ich muss nochmal für kleine Jungs!“ sagt Marvin, dreht sich um und wendet sich den Grünanlagen am Rande des Parkplatzes zu. Jenny hakt sich bei mir unter und bibbernd schreiten wir in Richtung Eingang.
Dann reißt Jenny sich los: „Ich glaub, ich hab mein Handy im Auto liegen gelassen!“.
Sie dreht sich um und geht zurück, während ich langsam weitergehe. Weit komme ich nicht.
Vor der Tür versperrt mir ein athletisch gebauter Typ den Weg.
Der Typ hat einen Knopf im Ohr, trägt trotz Dunkelheit eine Designer-Sonnenbrille und hat einen bedrohlich aussehenden länglichen Gegenstand in der rechten Hand.
„Stehen Sie auf der Gästeliste?“
Ich zucke mit den Schultern.
„Tut mir leid, heute nur mit Einladung!“
Wortlos drehe ich mich um. Jenny eilt mir entgegen.
„Was ist?“
„Vergiss es, wir kommen hier nicht rein!“
„Wer kommt hier nicht rein?“
Jenny hakt sich wieder bei mir unter und strahlt den Türsteher an.
„Du willst uns doch nicht hier draußen stehen lassen, oder?“
Mr. Sonnenbrille-Knopf-im-Ohr bemüht sich, möglichst wichtig auszusehen und mustert mich einmal von oben bis unten. Ich stelle fest, dass es sich bei dem Ding in seiner Hand um um eine jener amerikanischen Mega-Taschenlampen handelt, die auf der anderen Seite des Großen Teiches von Polizisten als Schlagstöcke eingesetzt werden.
„Dein Freund macht hier keinen Ärger, ja?“
Bevor Jenny etwas antworten kann ist Marvin mit Siebenmeilenschritten an uns vorbeigestürmt, und hat dem Gorilla seine Flosse entgegengestreckt.
„Grüß Dich, Tom!“
Und dann, mit einem Kopfnicken zu Jenny und mir: „Gehen wir!“.
Ohne Trenchcoat-Man eines weitere Blickes zu würdigen treten wir ein, gehen zur Kasse, zahlen brav den horrenden Eintritt und finden uns auf der Musikbewummerten und Trockeneisbenebelten Tanzfläche wieder.
Jenny greift nach meiner Hand und brüllt etwas in mein Ohr, was ich nicht verstehe. Ich antworte mit der Geste, die in fast allen Sprachen der Welt „Trinken?“ bedeutet, erwerbe an der Bar drei Flaschen Bier, von denen ich jeweils eine an Marvin und Jenny weiterreiche.
Marvin bedankt sich mit kurzem Nicken. Jenny greift erneut nach meiner Hand und gibt mir einen Kuss.
Es ist nicht der letzte des heutigen Abends, aber ich merke, dass ich offenbar längst zu alt geworden bin für diese Lautstärke und die Mischung aus Trockeneisdunst und Körperausdünstungen.
Zum Glück wird hier drinnen nicht geraucht, denke ich noch, aber da zupft Jenny mich auch schon am Ärmel und macht die allgemeinverständliche Geste, die in allen Sprachen der Welt „Eine Rauchen gehn?“ bedeutet.
Ich nicke, wir begeben uns zum Hinterausgang und dann passiert’s.

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