Das übliche Blabla

Ich sitze vor meinem Schreibtisch, auf welchem sich ein Stapel Krankenakten befindet.
Die zugehörigen Patienten hat Martin in der letzten Woche entlassen. Und weil es vor meinem Urlaub “meine Patienten” waren, “gehören” die Akten jetzt mir, das heißt das Diktieren des zugehörigen Briefes ist meine Aufgabe.
Wenn Martin in Urlaub ist, dann mache ich natürlich im Gegenzug bei “seinen” Patienten Visite.
Und sollte ich einen dieser Patienten entlassen, dann gehört die zugehörige Akte selbstverständlich mir.
Sollte ich es wagen, eine Akte still und heimlich auf Martins Stapel zu verfrachten, so liegt sie spätestens bei Martins Rückkehr wieder bei mir: “Du hast den Patienten ja entlassen, ich kenne den doch kaum!”
Diesbezüglich hat Martin da eine ganz raffinierte Taktik entwickelt.
Manchmal ist sein Stapel turmhoch, dann reduziert er sich oft in Windeseile allerdings habe ich ihn noch nie diktieren sehen: stattdessen werden die Akten in einem unbeobachteten Moment unter fadenscheinigen Begründungen auf die Stapel der Kollegen verschoben.
Und jetzt sitze ich da also.
Noch ein Schluck aus der Kaffeetasse. Pfui Teufel, das Zeug schmeckt grauenhaft, außerdem ist es kalt geworden.
Ich nehme das Diktiergerät in die Hand. Neue Kassette einlegen.
Eins, zwei, drei Test. Zurückspulen, Räuspern und los.
“…berichten wir Ihnen über den obengenannten Patienten, welcher sich vom… bis zum… in unserer stationären Behandlung befand. Stop.”
Aktenraschel.
Diagnose?
Wenn ich das wüsste! Ich kann mich an den Patienten kaum erinnern.
Ich blättere durch die Akte und versuche Martins Handschrift zu entziffern. Was hat der mit dem angestellt?
Aber irgendwas muss ich hinschreiben. Am besten gleich die zehn Dauerdiagnosen aus dem Arztbrief vom vorherigen Aufenthalt abdiktieren, darunter fortgeschrittene Demenz, schwere Pflegebedürftigkeit, Harn- und Stuhlinkontinenz und so weiter.
Ich schüttele den Kopf.
Stehe auf.
Nebenan im Schwesternzimmer riecht es nach frischem Kaffee.

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