Liebe Manchmal-oder-auch-oft-Mitleser…
soll ich jetzt die ein oder andere Ausrede aus dem Ärmel schütteln, warum ich so lange nicht geschrieben habe? Äh, wie in diesen Freundschafts-Briefbüchern in der fünften Klasse, wo man auch nach 3-4 Seiten obligatorisch im “Hallo Hasimaus, tut mir leid dass ich dir so lang nicht geschrieben hab”-Modus landete.
Näh, war vielleicht einfach alles watt viel. Und ich wollte nicht länger über das Krankenhaus nachdenken als unbedingt notwendig. Also nur in der Zeit in der ich da war. Dann die üblichen Kleinigkeiten “mhh… der Neue darf viel mehr operieren als ich… hat der Leitende mich nicht mehr lieb? Blöder Neuer…” usw usf. Nicht schön. Kein Spaß mehr bei der ganzen Sache. Egal. Ich steig jetzt einfach wieder ein, ok?
Ich habe jetzt nämlich einen neuen Wirkungskreis: Die interdisziplinäre Intensivstation… jaha. Hauptsächlich guck ich erstmal mit ganz großen Augen. Ich hab mich wirklich lange nicht SO hilflos gefühlt wie in meinen ersten Tagen.
Rein apparatetechnisch ist so eine Intensiv mit Monitor, Beatmungsmaschine, Infusomaten, PICCO, am besten noch Pulmonaliskatheter… für einen werdenden Chirurgen schon auch einfach eine Herausforderung. Ich muss nach einem Monat echt immer noch überlegen, aus welchem ZVK-Lumen ich denn dann jetzt mal Blut abnehmen darf. Äh. NICHT DER KATECHOLAMINSCHENKEL… gut. So weit bin ich. Mittlerweile kann ich auch die meisten Geräte anfassen, ohne Angst zu haben, diese oder gleich den Patienten sofort kaputtzumachen. Das ist mein Fortschritt diesen Monat.
Die andere große Herausforderung auf der Intensivstation: Den Patienen mit all den Zugängen ausstatten, die er für so ein oben beschriebenes Monitoring braucht. Jaha. Da weiss ich echt auch nicht. An manchen Tagen krieg ich noch nicht mal ne Magensonde rein, an anderen Tagen sitzt ne Schleuse für nen PA-Katheter beim ersten Versuch in der Subclavia. Wenns klappt, hab ich immer das “bin ich da schon drin oder was? Das war ja einfach”-Gefühl. Den nächsten invasiven Zugang gehe ich dann mit innerer Ruhe und Gelassenheit an (ist ja Pipikram), um dann Stunden später verzweifelt nach meinem Oberarzt zu schreien. Ein ewiges auf und ab… Ich finde es aber auch wirklich schwierig, dass die (anfangs wirklich recht steile) Lernkurve auf Kosten der Patienten geht. Wenn ich einer schwitzenden und wimmernden Omi wiederholt im Hals rumstochere, weil die V. Jugularis interna sich irgendwie nicht da befindet wo ich sie vermute, dann fühle ich mich schuldig, vor allem, wenn mein Oberarzt lächelnd danebensteht und dann irgendwann mit einem eleganten Handgriff die Nadel da rein befördert wo sie hinsoll. Ich möchte das auch gerne KÖNNEN! Ich möchte das aber nicht lernen. Aber da geht wohl kein Weg dran vorbei, fürchte ich. Naja.
Und eine weitere große Herausforderung gibt es auf Intensiv: Das Rea-Telefon. *Schluck*. Wenn irgendwo im Haus reanimiert wird, klingelt das, und wir müssen da hin rennen. Es ist zwar nicht rot, aber sonst denke ich in etwa so heiß wie das Telefon zwischen Moskau und Washington… ihr wisst schon. Ich habe einen HÖLLENRESPEKT vor diesem Telefon. Weil ich einen Höllenrespekt vor dem Endgegner habe. Der lauert überall. Es kann sein, dass wir alle um den Patienten in Bett 14 herumspringen, der quasi drucklos aus dem OP gekommen ist, und dann läuft eine Schwester an der Tür vorbei und sagt: “Der Vierer versucht zu sterben, vielleicht solltet ihr mal gucken” und dann müssen wir uns aufteilen und der Endgegner lacht sich ins Fäustchen und vielleicht klingelt dann genau das böse Telefon und wir rennen noch schnell 7 Stockwerke zu einem Patienten, der alleine im Zimmer war und irgendwann tot gefunden wurde und dann reanimieren wir erfolglos eine Stunde und schleichen dann müde zurück. Ah. Und der Endgegner grinst diabolisch und schärft seine Sense.
Aber meistens ist es gar nicht so schlimm. Ich glaube, irgendwann werde ich die Intensivstation vielleicht sogar wirklich mögen. Jetzt geh ich aber erstmal joggen. Körper stählen für aussichtslosen aber heroischen Kampf. Ich werde weiter berichten.