Geahnt hatte ich es schon immer.
1997 interviewte ich für eine Programmzeitschrift Helmut Rellergerd alias Jason Dark zur ersten John-Sinclair-Verfilmung „Die Dämonenhochzeit“. Unter anderem wollte ich wissen, ob er selbst an Geister, Dämonen und Übersinnliches glaube. Und wie das wohl bei seinen Lesern aussähe?
Er selber nicht die Bohne, sagte der Gänsehaut-Schreiber damals sympathisch nüchtern. Aber von den Fans seines Geisterjägers bekomme er viel Zustimmung – unter anderem und nicht zuletzt auch von katholischen Pfarrern. „Die finden das gut, wenn John Sinclair Dämonen jagt.“
Heute ist mir vollumfänglich klar, dass sich dieses „gut finden“ bei weitem nicht bloß auf die Theorie beziehungsweise das Lesen von spannenden Heftromanen beschränkt.
"Auch im 21. Jahrhundert wirken noch Exorzisten in Deutschland, obwohl seit dem Tod von Anneliese Michel im Jahr 1976 behauptet wird, das Phänomen komme nicht mehr vor. Exorzisten bieten ihre Dienste in der katholischen Kirche ebenso an wie in freikirchlichen oder evangelikalen Gemeinden oder auch in der esoterischen Szene mit freiberuflichen Heilerinnen und Heilern. Nach dem Muster von Angebot und Nachfrage treffen sich dabei die Interessen“,
sagt der Journalist Marcus Wegner. Durch die zufällige Begegnung mit einer sich „besessen“ wähnenden jungen Frau kam Wegner auf die Spur einer organisierten Clique von Teufelsaustreibern in Deutschland. Seit mehreren Jahren recherchiert er in dieser Szene. Nun hat er das Buch „Exorzismus heute“ veröffentlicht. Untertitel: Der Teufel spricht deutsch.
„In Deutschland finden, rein statistisch gesehen, etwa vier bis fünf Exorzismen pro Tag statt. In den Reihen der katholischen Kirche kann man von etwa einer Teufelsaustreibung pro Tag ausgehen."
Wer es darauf anlegt, findet offenbar leichter einen Exorzisten als einen Beichtvater. Wegner:
"Es scheint einen organisierten Kreis von Eingeweihten zu geben, denn unter der Hand werden Namen und Telefonnummern von „geeigneten“ Priestern weitergereicht. Diese Priester habe ich vor Zeugen angerufen und anonym angegeben, mich vom Teufel bedrängt zu fühlen und deshalb nicht mehr beten zu können. Außerdem erzählte ich, einen mir unerklärlichen Hass auf alles Heilige zu fühlen.
Drei katholische Pfarrer in Baden-Württemberg und Bayern beteten bereits bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme, nach wenigen Minuten, Auszüge aus dem Großen Exorzismus am Telefon. Ohne Hintergrundinformationen und ohne auch nur nach dem Namen des Anrufers zu fragen. In einem Fall wurde bei mir sogar der – definitiv nicht vorhandene – Dämon namentlich angesprochen."
Das könnte man insofern als skandalös bezeichnen, als die Kirche stets bemüht schien, Klingenberg als den heilsamen Schock darzustellen, der ein allgemeines Umdenken bewirkt habe. Doch das ist nicht korrekt, behauptet Wegner:
"Es stimmt nicht ganz, dass die deutsche Amtskirche sich durchgängig von Exorzismus-Praktiken distanziert. Das Erzbistum Paderborn etwa räumt freimütig ein, dass ein Mensch ,durch ein Wesen der Hölle besessen sein’ kann und hat infolge dieser ,Glaubenswahrheit’ Exorzismen genehmigt und sogar nicht genehmigte Austreibungen toleriert.
Auch der immer wieder für Schlagzeilen sorgende Augsburger Bischof Walter Mixa hat nachweislich in mindestens einem Fall den offiziellen Auftrag zu einem Exorzismus erteilt und auch Kenntnis von nicht genehmigten Teufelsaustreibungen, die – ebenfalls nachweisbar – ohne ärztliche Hilfe oder psychiatrisches Gutachten praktiziert wurden. Unfassbar."
Das ist es in der Tat.
Ein ausführliches Interview mit Marcus Wegner zur Exorzismus-Szene in Deutschland und zu seinen Erlebnissen mit Teufelsaustreibern und "Besessenen" lesen Sie im nächsten Skeptiker, der im März erscheint.
Zum Weiterlesen:
- Marcus Wegner (2009): Exorzismus heute. Der Teufel spricht deutsch. Gütersloher Verlagshaus, München.