Notruf 0815 – wir retten sie alle (Teil 2)

Gastbeitrag: Teil 2 der beliebten Serie kommt von Hootch

Notruf 0815 ist eine unrealistisch-medizinische Serie vom Feinsten. Gestartet wurde sie vor kurzem vom Chefarzt (1.Teil). Jeder schreibfreudige Mensch darf einen weiteren Teil erfinden und entweder hier oder auf einem eigenen Blog veröffentlichen. (Vorausgesetzt natürlich die Inhalte sind medizinisch-sinnvoll und gefallen) Teil 3 und Teil 4 sind bereits schon veröffentlicht. Also Blogger und Kommentatoren: Auf gehts …

Gut gelaunt wachte Dr. Flemming auf, als sein Funk um 3:51 ging. Diese Nacht war eher ruhig gewesen. Lediglich die Entfernung eines Tumors an der Crura cerebri hatte etwas länger gedauert; die beiden Mehrlingsgeburten gingen rasch von statten.
Als Flemming am Pieper sah, wer ihn anfunkte, ahnte er schon, um was, oder besser wen es ging. “328″ blinkte auf den grün beleuchteten Display auf. Station MC3. Wahrscheinlich war die Komapatientin erwacht. Ein schlimmer Autounfall war es gewesen. Ein Wildunfall, um genau zu sein.
Vor einer Woche, als Dr. Flemming gerade auf dem Weg zum Kinderheim war, um Spielzeug zu verteilen, hatte er das Autowrack am Straßenrand gefunden. Nachdem er die asiatische Patientin – Flemming war sich nicht sicher, ob es sich um eine Chinesin oder eine Vietnamesin handelte – notdürftig stabilisiert hatte – er bastelte aus Zweigen und einem Teil einer Radkappe des Unfallwagens einen Stiffneck, schiente mit dem Warndreieck den offenen Bruch des Oberschenkels, wobei es ihm gelang die arterielle Blutung zu stillen und legte eine Monaldi-Drainage – versorgte er das verletzte Rehkitz mit einem Wundverband, so dass es ihn noch einmal dankbar anschaute und dann so schnell wie seine verletzten Beinchen es trugen zu seiner Mutter in den Wald verschwand.
Flemming machte sich auf den Weg zur Station. Währenddessen rief er schonmal auf der Station an. Lernschwester Susi ging an den Apparat. Und tatsächlich, es ging um diese Patientin. Allerdings war sie nicht aufgewacht…
Flemming kam in die Intensivbox und erfasste mit einem Blick die Lage. Asystolie mit intermittierendem Kammerflimmern bei einer Hypertonie mit einem Druck von 260/210.

“Oh mein Gott!” dachte Flemming.

Sein Kollege Dr. Bruckner wechselte alle drei Sekunden zwischen CPR und defibrillation.

“Sie hat schon zehn Adrenalin, 20 Ramipril und 1000 ASS bekommen! Wir kriegen es nicht in den Griff!”, rief Bruckner.

“ASS?” fragte Flemming

“Ja, sie ist anisokor, sie muss starke Kopfschmerzen haben.” gab Bruckner zurück.

“Wir haben nur eine Chance…” sagte Flemming. Alle waren still und sahen ihn an. Bruckner unterbrach die Stille:

“Christoph, du meinst doch nicht etwa…”

“Doch,” unterbrach Flemming ihn, “doch, Hubertus. Es gibt keine andere Möglichkeit, oder siehst Du eine?”

“Nein.” entgegnete Bruckner.

“Susi schnell, geh’ in mein Labor”

Flemming zog einen Tresorschlüssel aus der Kitteltasche und warf ihn ihr zu.

“Im BTM- Schrank rechts oben steht eine Flasche Paracetamoxyfrusebenroneomycin. Hol sie.”

“Aber Dr. Flemming…” entgegnete Susi. Flemmings Tonfall wurde harscher.

“Susi. Wir haben keine Zeit das jetzt zu diskutieren. Bitte geh jetzt.”

Susi rannte los.

“Ich weiß nicht, ob wir das richtige tun”, sagte Bruckner “im Tierversuch sind alle Mäuse gestorben. Und jetzt willst du das Zeug der Patientin spritzen?”

Flemming starrte aus dem Fenster. Er hatte noch gut die kleinen Särge, die er für die Mäuse gebaut hatte vor Augen. Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, räusperte sich und antwortete schließlich:

“Es ist ein Risiko, gewiss. Und i.v… nein, das kann ich auch nicht verantworten…”

Flemming war verzweifelt. Da kam ihm eine Idee. Er rief Susi auf ihrem Handy an.

“Susi, bist Du noch im Labor? Gut. Du machst jetzt folgendes: Erwärme 50 Gramm Hartfett mit dem Bunsenbrenner. dann gibst Du…” Flemming rechnete kurz im Kopf nach “…37 Tropfen von dem Paracetamoxyfrusebenroneomycin hinzu und füllst das in die Zäpfchenformen, die auf dem Tisch stehen…”

“Klar,” dachte Bruckner “als supp. Genial, dieser Flemming. Kein Wunder, dass er trotz seiner gerade mal 29 Jahren nicht nur zum Mediziner des Jahres der KV Westfalen-Lippe gekürt wurde, sondern man ihm auch noch die Stelle des medizinischen Direktors an der Charité angeboten hatte.” Während Bruckners Gedanken weiter schweiften und er immernoch maschinengleich zwischen Kompression und Defibrillation wechselte, kam Susi zurück.

“Warum hat das denn so lange gedauert?” fragte Flemming ungeduldig “Kollege Bruckner ist fast schon am Ende seiner Kräfte!”

“Der Aufzug kam nicht,” erklärte Susi, die ganz außer Atem war “und im Treppenhaus war frisch gewischt. Außerdem musste Herr Gruber auf Zimmer 28 noch schnell auf die Pfanne.”

“Entschuldige, Susi. Ich wollte Dich nicht so anschreien.”

Susi und Dr. Flemming sahen sich einen Moment tief in die Augen und Flemming wusste, dass sie ihm verziehen hatte. Mit einem energischen “Hinein, Onkel Otto!” gab Flemming der Patientin das Zäpfchen. Flemming, Bruckner und Susi starrten auf den Monitor. Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Fünf Sekunden. Zehn Sekunden. Die Zeit schien zäh wie ein altes Kaugummi zu sein.

“Da!” rief Susi und zeigte auf den Monitor. Tatsächlich ganz langsam zeigte sich ein Sinusrhythmus. Erst in I, dann in II und dann in III.

“Das reicht nicht, Christoph!”

“Du hast recht, Hubertus. Susi, gib ihr noch ein Zäpfchen.”

Nach einer gefühlten Ewigkeit, es mögen sieben, vielleicht acht Sekunden gewesen sein, zeigte sich endlich auch ein
Rhythmus in den Goldberger- Ableitungen. Bruckner setzte sich erschöpft auf einen Stuhl.

“Gut gemacht, Leute!” sagte Flemming. “Wir sind ein tolles Team. Um den Rhythmus in den Wilsonableitungen können wir uns später kümmern, das hat Zeit.”

“Nein, Christoph,” sagte Bruckner, “Du bist der Held! Ohne Dich hätten wir es nie geschafft.”

Er klopfte dem jetzt etwas erröteten Flemming auf die Schulter. Plötzlich hörten sie eine Stimme. Die Patientin sagte etwas. “Wie bitte?” Fragte Susi, die sich zu der Frau aufs Bett gesetzt hatte.

“Ich verstehe sie nicht.”, sagte Flemming, “Das ist vermutlich kantonesisch.”

Er fiel auf die Knie und fasste an seinen Kopf “Gott im Himmel! Warum nur? Warum habe ich nur den Kurs ‘Hochchinesisch’ an der VHS belegt und nicht auch noch den Aufbaukurs in Kantonesisch?” Das war zu viel für Flemming. Er brach in Tränen aus. Bruckner zog Flemming wieder auf die Füße.

“Christoph, Du bist auch nur ein Mensch, Du kannst nicht alles wissen.”, flüsterte Bruckner. Flemming sah ihn einen kurzen Moment an, dann fasste er sich wieder.
Um halb zehn, nach der Frühbesprechung, rief Heinrich Kimpfer, der Verwaltungschef des Krankenhauses, Flemming zu sich.

“Dr. Flemming. Ich habe einen Brief aus Berlin erhalen. Herzlichen Glückwunsch.”

“Ich habe mir schon so etwas gedacht.”, sagte Flemming “aber, Herr Kimpfer, ich habe mich entschlossen, hier in Keddinghausen zu bleiben. Hier ist meine Heimat und dieses Kreiskrankenhaus ist meine Familie. Als Ärztlicher Direktor in Berlin hätte ich doch kaum noch Kontakt zu meinen Patienten. Das wäre nicht die Medizin, die ich machen möchte. Ich will den Menschen helfen. Erinnern Sie sich noch an die schizophrene Patientin, die Suizid begehen wollte letzte Woche?”

“Frau Korndahl? Aber sicher.” entgegnete Kimpfer.

“Es hat lediglich einer Psychoanalyse bedarft und ich konnte der Frau helfen. Jetzt ist sie mit sich wieder im Reinen. Das ist nur ein Beispiel für das, was ich möchte. Auch wenn ich hier nur ein kleiner Assistenzarzt bin, so gehöre ich doch hierher und nur hierher.”

“Das ist eine tolle Nachricht!”

Kimpfer zog eine Flasche Campagner unter seinem Tisch hervor, schenkte vier Gläser ein und gab je eines an Dr. Flemming, Dr. Bruckner und Sr. Susi und nahm sich selbst das vierte Glas.

“Nein.”, sagte Flemming, “Das ist kein Grund zu Feiern. Ich mache doch hier nur meine Arbeit und da ist es mir…” Das Rattern des Fax-Gerätes unterbrach ihn. Kimpfer nahm das Blatt aus dem Gerät, blickte kurz drauf und gab es an Flemming weiter.

“Für Sie, Dr. Flemming”

Flemming nahm die Din A4 Seite und las. Seine Augen weiteten sich.

“Es… ist von… SmaxoGlithKline…” stotterte er mehr, als dass er es sagte. “Man bietet mir für die Formel des Paracetamoxyfrusebenroneomycins zehn Millionen Euro an.” Flemming konnte es kaum glauben. Endlich bot sich ihm die Chance, auf die er so lange gewartet hatte…

Was hat Dr. Flemming vor? Wie wird es weiter gehen? Wer weiß….

Artikel zum Thema passend:

Artikel von: Monsterdoc

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *