Vor drei Jahren machte er weltweit Schlagzeilen: als „der Kater, der den Tod voraussagt“.
“Oscar ist fluffig, seine Pfötchen sind blütenweiß und samtig weich”, schrieb damals Spiegel-online: “Trotzdem ist der Schmusekater vielen Bewohnern im US-Pflegeheim Steere House extrem unheimlich. Denn das Tier scheint den Tod von Kranken vorauszuahnen.”
Und weiter:
“Das medizinische Personal in Steere House ist von Oscar fasziniert. Der zwei Jahre alte Kater wurde als Kätzchen adoptiert und wuchs in der Abteilung für Demenz des Pflege- und Rehabilitationszentrums im US-Staat Rhode Island auf. Dort werden Patienten mit Alzheimer, Parkinson und anderen Krankheiten behandelt.
Nach etwa sechs Monaten fiel den Pflegern auf, dass Oscar in dem Heim seine eigenen Runden machte, ganz wie die Ärzte und Krankenschwestern. Er riecht an Patienten, beobachtet sie und setzt sich neben Menschen, deren Tod innerhalb weniger Stunden bevorsteht. In 25 Fällen traf seine Vorhersage bislang zu.
Das Pflegepersonal ist inzwischen dazu übergangen, die Angehörigen zu verständigen, wenn sich der Kater zu einem Patienten gelegt hat. Denn das bedeutet in der Regel, dass der Kranke noch weniger als vier Stunden lebt.
“Er macht nicht viele Fehler. Er scheint zu verstehen, wenn Patienten im Sterben liegen”, erklärt der Arzt David Dosa, der das Phänomen in einem Artikel des New England Journal of Medicine beschrieb.”
Nicht nur dort. Mittlerweile hat Dr. Dosa ein ganzes Buch verfasst über den Kater, „der Opa in den Himmel hilft“, wie damals die Berliner Morgenpost halluzinierte. Bei uns ist Making Rounds With Oscar: The Extraordinary Gift of an Ordinary Cat gerade beim Droemer-Knaur-Verlag erschienen. Deutscher Titel: “Oscar: Was uns ein Kater über das Leben und das Sterben lehrt.”
Wie der Titel schon vermuten lässt, geht es darin nicht in erster Linie um eine exakte wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens – wie die freundlichen Skeptiker von der GWUP anno 2007 angeregt hatten:
“Was das Personal des Pflegeheims jedoch dazu bringt, ein Tier als Melder für den anstehenden Tod von Patienten zu verwenden, erschließt sich dem Außenstehenden nicht ohne Weiteres. Bei einem heiklen Thema wie diesem muss man kritisch fragen, wie solide die Basis für die Behauptung ist: die Katze kann den Tod vorausahnen.
Hat die Katze ungehinderten Zugang zu allen Patienten? Wie oft besucht sie beispielsweise jeden Patienten und wer kontrolliert dies? Wie lange muss der Besuch dauern, um als Zeichen des bevorstehenden Todes gewertet zu werden? Folgt das Tier vielleicht nur dem Pflegepersonal, das einigen Patienten mehr Zeit widmet als den anderen? Bieten sich die Betten der Betroffenen aus anderen Gründen als Katzen-Schlafplatz an? Schätzen Ärzte den Zustand der Patienten genauso ein wie der Kater?”
Anscheinend hat Dr. Dosa sich diesen kritischen Fragen durchaus gestellt. “Möglicherweise, so vermutet Dosa, ahmt der Kater die Krankenschwestern nach, die ihn aufgezogen haben”, berichtet nun der Tagesanzeiger. “Vielleicht nimmt er auch irgendwelche Gerüche wahr, die von sterbenden Zellen abgesondert werden, etwa wie einige Hunde, von denen Wissenschaftler sagen, sie können Krebs mit Hilfe ihres hervorragenden Geruchsinns aufspüren.”
Den wahren Wert des Katers für die Heimbewohner und deren Angehörigen sieht Dosa denn auch weniger in eher zweifelhaften paranormalen Fähigkeiten, als vielmehr in einem ganz anderen Punkt:
“Oscar ist an einem Zeitpunkt anwesend, an dem viele andere sich abwenden: im Tod. Die Leute finden wirklich großen Trost in der Vorstellung, dass dieses Tier da war, als ihre geliebten Angehörigen oder Freunde starben. Er war da, als sie es nicht konnten.”
Einige Trauernde hätten sich sogar in den Todesanzeigen bei dem Kater bedankt. “Vielleicht sehen sie nur, was sie sehen wollen”, räumt der Arzt ein. “Aber was sie sehen, ist ein Trost in einer wirklich schwierigen Lebenssituation für sie.”