P.M. – Das Peinliche Magazin

 Das waren noch Zeiten, als Peter Moosleitners interessantes Magazin uns Kids erklärte, warum Flugzeuge fliegen können und woraus das Universum besteht. Lang ist’s her.

Heute steht das Kürzel P.M. wohl bestenfalls noch für „Pseudo-Magazin“. Traurig, dieser Abstieg zum befremdlichen Esoterik-Blättchen, das mit Astrologie, Intelligent Design, Verschwörungen und Wassergedächtnis wedelt. Anscheinend sucht das Peinliche Machwerk seinen neuen Platz irgendwo zwischen Esotera und dem Engelmagazin – falls es nicht verdientermaßen vorher eingestellt wird. Denn wer braucht sowas?

Zugegeben: Als Autor für P.M. zu arbeiten, darf man sich wohl recht komfortabel vorstellen: Einfach fröhlich drauflos fabulieren und so tun, als wäre jeder Satz wunderbar neu und von Nobelpreisträgern beglaubigt, den Kenntnisstand eines jeden durchschnittlichen Wikipedia-Lesers zum Thema schlichtweg ignorierend – und damit durchkommen.

Nehmen wir also wider besseres Wissen die aktuelle Februar-Ausgabe zur Hand, und sei es nur in banger Erwartung der Eskapaden journalistischer Titelstrategen. Und tatsächlich – wenigstens in diesem Punkt werden wir nicht enttäuscht.

„Die verborgenen Phänomene der Geschichte“ blurbt es vom Cover. Und da verabschieden sich auch schon die ersten grauen Zellen, denn die Storys, mit denen wir hier belästigt werden, gehören zur besonders hirnfetzenden Sorte. Nein, ich weiß auch nicht, welcher Teufel mich geritten hat, für dieses Grützeheft auch noch richtiges Geld hinzulegen.

Auf elf Seiten im Innenteil entfaltet sich ein ums andere hübsche Beispiel für die Irrwege gestresster Chefredakteure und Verlagskaufleute, die unter Auflagendruck auch noch den allerletzten Schmu aus dem Bereich des „Wundersamen“ irgendwie verhökern müssen. Neben Schenkelklopfern vor dem Herrn wie „Das Sternenkind aus Mexiko“ oder „Das Volk der fliegenden Wagen“ qualifiziert sich insbesondere der Beitrag „Das Wundertuch von Guadeloupe“ durch seine bloße Existenz für ein hiesiges Treatment.

Und so geht’s los:

„Die aztekische Schrift Nican Mopohua (16. Jh.) berichtet von einem unglaublichen Ereignis, das sich im Dezember 1531 in Mexiko zugetragen hat. Damals kam der aztekischstämmige Juan Diego aus Tolpetlac am Hügel Tepeyac vorbei, der heute die Wallfahrtsstätte Guadalupe ist. Von der Kuppe her hörte er Musik und Gesang, und als sie verstummt waren, erklomm er den Hügel und sah sich einer bildschönen weiblichen Gestalt gegenüber.“

Na, wer  mag das wohl gewesen sein? Genau, die Jungfrau Maria.

Eigentlich auch durchaus nachvollziehbar. 1531 – das bedeutet: Zehn Jahre nach der Eroberung Mexikos durch Hernando Cortez. „Die Spanier und Portugiesen sind im Begriff, mit ihrer überlegenden Kriegstechnologie Süd- und Mittelamerika brutal zu unterwerfen, um den Reichtum des Kontinents an sich zu reißen – und diesen zugleich für das Christentum zu gewinnen“, lesen wir zu dieser Epoche bei der Theologin und Marienkult-Kritikerin Monika Hauf. „Ein hoffnungsloses Unterfangen, so sollte man denken. Denn was sonst außer Furcht könnte die Indios dazu veranlassen, die Religion der Eroberer anzunehmen?“

Tja, was sonst? Vielleicht ein plötzliches Eingreifen der Himmelskönigin herself? Und genau das geschieht auch prompt. Beziehungsweise widerfährt dem besagten Indio Juan Diego:

„Ihm erschien Maria und beauftragte ihn, vom Bischof in Mexiko-Stadt die Errichtung einer Kirche auf einem Hügel nahe der Stadt, auf dem zuvor ein Heiligtum der Azteken-Göttin Tonantzin stand, zu erbitten”,

lesen wir in einem katholischen Heiligenlexikon.

“Drei Tage später erschien Maria dem Indianerjungen Juan ein zweites Mal, auf dem schneebedeckten Hügel wuchsen Rosen, Juan Diego sammelte sie und brachte sie in seinem Mantel zum Bischof; als er den Mantel öffnete, um dem Bischof die Rosen zu geben, war auf dem Mantelfutter das Gesicht von Maria zu sehen. Der Bischof erkannte darin das Bild der Jungfrau von Guadelupe, die in Spanien verehrt wird. Nun überzeugt, ließ er die Kirche bauen.“

Eine eher sonder- als wunderbare Geschichte, sollte man meinen.

Aber nicht für einen P.M.-Autoren. Kein Hauch von Skepsis durchwirkt seinen Doppelseiten-Sleaze über das Bildnis der heiligen Maria auf Juan Diegos Mantel, das heute noch existiert und in der Basilika von „Nuestra Senora de Guadeloupe“ in Mexiko City zu sehen ist. P.M.-like ist dies selbstredend alles höchst wundersam, verblüffend, phänomenal und obendrein vollkommen unerklärlich.

Natürlich hätte man zumindest darauf hinweisen können,

  • dass der damalige Ortsbischof, Juan de Zumárraga, das angebliche Marienwunder oder einen „Seher“ namens Juan Diego in den von ihm erhalten gebliebenen Unterlagen mit keinem Wort erwähnt. Nirgendwo.
  • Oder dass ausgerechnet der Abt der Basilika von Guadeloupe, Guillermo Schulemburg, im Jahr 1996 die ganze Geschichte zum historischen Mythos erklärt hat – und dass besagter Juan Diego wohl nie existiert hat.
  • Oder dass die aztekische Legende, mit welcher der P.M.-Autor in seine abstruse Story einsteigt, sich möglicherweise gar nicht auf die katholische Maria bezieht, sondern die aztekische Erdgöttin Coatlicue meint, mit deren Namen die Spanier aber nichts anzufangen wussten und deshalb  „Guadeloupe“ daraus machten.
  • Oder dass schon 1556 der Franziskanerpater Francisco de Bustamante einen Klostermaler namens Marcos als Urheber des „himmlischen“ Bildnisses benannte. Und dass dieses Bild im Laufe der Jahrhunderte mehrfach massiv manipuliert worden ist, etwa durch nachträgliches Hinzufügen einer Krone auf dem Haupt der Jungfrau sowie von Strahlen und Sternen auf dem Mantel etc.

 Und so weiter, und so fort.

All das hätte man in dem P.M.-Artikel „Das Wundertuch von Guadeloupe“ zumindest am Rande mal erwähnen können. Andererseits wäre das nun wiederum extrem untypisch für das Para-Müll-Magazin gewesen.

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