Die beiden blonden Damen an der Rezeption sind ein zugegebenermaßen schöner Anblick. Allerdings denke ich mir, dass deren Designer-Outfit mit knappen Röckchen und fast durchsichtigen Blusen vielleicht ein wenig gewagt ist für medizinisches Assistenzpersonal. Dafür servieren sie uns richtig guten Espresso in Designertässchen und dazu leckere Amaretto-Kekse.
Anschließend geht es zunächst zum Röntgen. Erst danach dürfen Rachel und ich im Sprechzimmer Platz nehmen. Auch da ist alles ziemlich designermäßig: moderne Kunstwerke an den Wänden, ein Schreibtisch aus Glas und Chrom und Edelstahl und davor zwei unbequeme, dafür aber schick aussehende Stühlchen. Die sind für Patienten wie mich.
Der Herr Doktor hingegen thront in einem ledernen Chefsessel auf der anderen Seite des Schreibtischungetüms. Das heißt, momentan thront er noch gar nicht, weil wir müssen noch auf ihn warten.
So lange können wir uns die Röntgenbilder anschauen, die neben der Tür an einem riesigen Betrachterkasten aufgehängt sind.
Und dann kommt ER: Auftritt Dr. Goldschneider: Groß und athletisch, das grauweiße Haar kurz geschoren, leger im weißen Designer-Polohemd, weißen Jeans und weißen Marken-Turnschuhen. Fester Händedruck und joviales Lächeln. Blick aufs Röntgenbild, Griff ans Sprunggelenk, Griff ans Knie. Und bevor ich dazu komme, die Geschichte in aller Ausführlichkeit zu erzählen, winkt er ab:
“Sie haben eine Sprunggelenksdistorsion!” sagt er.
Genau das sage ich meinen Patienten in der Notaufnahme auch, wenn ich mir halbwegs sicher bin, dass nichts gebrochen ist.
“Meine Mädchen machen Ihnen einen Aircast, Sie können sich die Farbe aussuchen…”
“Nein, keinen Gips!”
“Okay, dann nicht. mit dem Skifahren sollten Sie trotzdem pausieren. Wenn Sie ein Attest für die Versicherung brauchen…”
“Nicht nötig!”
“Okay, ich schreibe Ihnen etwas gegen die Schmerzen auf…”
Die Rechnung war übrigens fürstlich.
Interessant, zu sehen, dass es in unserer Branche offenbar doch noch durchaus lukrative Berufsfelder gibt.