Es ist still.
Alles ruhig soweit.
Ich schleiche über die nächtlichen Flure, schaue hier noch einmal vorbei und dort, kurzer Smalltalk mit den Nachtdienst-Schwestern, bevor ich mich hoffentlich für ein paar Stündchen zurückziehen kann.
Im zweiten Stock steht die Tür zum Balkon offen.
Auf dem Balkon steht Herr Schröder und raucht.
Als er mich sieht, versucht er schnell, seine Zigarette hinter dem Rücken zu verstecken.
“Ich weiß, was Sie jetzt sagen, Herr Doktor!”
Ich sage erstmal gar nichts.
Herr Schröder auch nicht.
Dann holt er die Zigarettenhand wieder hervor, nimmt einen Zug, inhaliert, und bläst den Rauch in die feuchtkühle aber nicht mehr frostige Nachtluft.
“Was kann mir denn noch passieren, Herr Doktor?” fragt er.
Ich sage immer noch nichts.
Herr Schröder lacht, oder versucht zu lagen aber es wird nur ein ziemlich schiefes Grinsen draus.
“Nee, Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich springe nicht runter!”
Dazu hätte er allerdings Grund. Denn etwa zwölf Stunden zuvor habe ich ihm mitteilen müssen, dass er ein Bronchialkarzinom hat, und zwar ziemlich fortgeschritten, Operation wahrscheinlich nicht mehr möglich und Metastasen gibt es auch schon. In den nächsten Tagen werden wir ihn durch die Mangel drehen, Blut abzapfen, röntgen, sonografieren, endoskopieren, einmal- zweimal und dreimal durch verschiedene Röhren schieben und ihn bei allen möglichen Experten vorstellen um herauszufinden, was man noch machen kann. Trotzdem ist das Ergebnis vorhersehbar.
“Denken Sie daran, die Tür wieder zuzumachen, wenn Sie zurück aufs Zimmer gehen!” sage ich.
Er nickt.
Ich gehe weiter und hoffe, dass er wirklich nicht springt. Aber er hat mir ja sein Wort gegeben.