beraten und verraten

Kalle sitzt im Arztzimmer. Er hat sich in seinem Bürostuhl zurückgelehnt und seine Füße liegen auf dem Schreibtisch direkt neben einer Batterie von dreckigen Kaffeetassen. Er blättert in einer Zeitschrift. In seiner rechten Hand hat er einen gelben Textmarker und ab und zu streicht er etwas an.
Er blickt nicht auf, als ich hereinkomme und ihm über die Schulter schaue.
“Du liest Stellenanzeigen?”
“Hmmm.”
“Du willst uns verlassen?”
“Hmmmmmmm.”
“Darf ich daraus schließen, dass aus der Oberarzt-Sache nichts geworden ist?”
“Wie man’s nimmt!”
“Aha?”
“Vom Ersten an bin ich befördert!”
“Oh! Gratuliere!”
“Pech für Dich: Du hast jetzt mehr Dienste. Ich mache stattdessen Hintergrund.”
“Das klingt ja spannend!”
“Noch spannender würde es klingen, wenn ich auch entsprechend bezahlt werde.”
“Wirst Du das nicht?”
“Ich bleibe Assistenzarzt. Also Funktionsoberarzt. Also jede dritte Nacht Hintergrunddienst fürs gleiche Geld wie zuvor. Aber wenigstens kann ich im eigenen Bett schlafen. Zumindest so lange bis Du mich da rausholst.”
“Und wieso…?”
“Wieso ich mich auf diese Scheiße einlasse? Weil es sich in meiner Bewerbung besser macht.”
“Nein, ich meine, wieso machen sie Dich nicht zum richtigen Oberarzt?”
“Da musst Du diese Beratungsfuzzis fragen! Weniger Geld ausgeben ist halt billiger als seine Leute anständig zu bezahlen.”
“A propos: Hast Du von diesen Beratungsheinis noch irgendwas gehört?”
“Die sind wie vom Erdboden verschwunden. Aber freu Dich nicht zu früh! Die hecken irgendwas aus, und das wird nichts Gutes sein, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!”

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