Das bestgehütete Geheimnis von Bad Dingenskirchen

“Hmmm,” sagt Kalle, trinkt einen Schluck Bier und starrt auf einen imaginären Punkt, welcher sich ungefähr zehn Kilometer hinter der Theke befinden muss.
Inzwischen kenne ich ihn gut genug, dass dies ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass da irgendwas im Busch sein muss.
“Erzähl! Was ist los?” frage ich.
Kalle seufzt, schaut mich an und nickt.
“Du hältst aber auch wirklich dicht?”
“Großes Indianerehrenwort!”
“Also, die Sache ist nämlich so… ähem…”
Die Bedienung schiebt uns zwei frische Biergläser hin.
Kalle schaut sich verschwörerisch um und senkt die Stimme.
“Das mit der Funktionsoberarzt-Sache, das ist nämlich nur die halbe Wahrheit!”
“Aha.”
“Sonst hätte ich doch niemals mitgespielt!”
“Nicht?”
“Glaub mir, ich bin doch auch nicht blöd. Ich kenne doch meinen Marktwert. Wenn man eine Weile sucht und geographisch ein bisschen flexibel ist, dann findet man schon richtige Oberarztstellen…”
“Aber?”
“Naja… irgendwie hänge ich ja doch an unserem guten alten Bad Dingenskirchen.”
“Und?”
“Und vielleicht ist die Sache ja doch ganz spannend. Obwohl ich nicht weiss, ob sie mich nicht doch übers Ohr hauen werden.”
“Warum sollten sie das tun?”
Kalle lacht.
“Hast Du jemals erlebt, dass Du bei irgendeinem Vorschlag, der von der Verwaltung kam, nicht das Gefühl hattest, übers Ohr gehauen zu werden?”
“Hmmm.”
“Aber ich glaube, ich sollte Dir die ganze Geschichte erzählen. Ist aber noch streng geheim. Ich musste sogar eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Mit drakonischen Strafandrohungen…”
“Schieß los.”
Kalle atmet tief, nimmt einen weiteren Schluck Bier, rückt näher und senkt abermals die Stimme.
“Unser Personalchef hat mich also zu einem Gespräch gebeten. In den Konferenzraum. Ich komme also hin, und da sitzt ein halbes Dutzend Leute in dunklen Anzügen. Personalchef, Verwaltungsdirektor und vier Leute, die ich nicht kenne. Richtig feierlich alles. Die Tür geht zu und dann muss ich zunächst diese Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Erst dann stellt man mir die unbekannten Herrschaften vor: Zwei Vertreter des Krankenhausträgers und zwei Leute von SHC-Consulting. Und einer von denen ergreift das Wort.”
“Und was hat er erzäht?”
“Warte ab! Zunächst einmal viel Blabla. Unserem Krankenhaus geht es schlecht, wir müssen neue Wege gehen undsoweiter und so fort. Und dann kommt’s: Sie wollen ein MVZ aufmachen…”
“Ein… was?”
“Ein Medizinisches Versorgungszentrum. Dafür brauchen sie Fachärzte. Also mich. Und das haben sie mir angeboten.”
“Und was ist daran so geheimnisvoll?”
Kalle schaut mir direkt in die Augen.
“Junge, Du verstehst nicht, worum es da geht! Das ist Dynamit! Wenn das rumgeht, dann bricht hier die Revolution aus! Krieg! Randale ohne Ende. Verstehst Du?”
Gar nichts verstehe ich.

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