Die Idee des “Wartezimmerkonnektors” als Kompromiss zum Online-Rollout

In einem aus meiner Sicht sehr schönen Artikel hat Norbert Butz, der Dezernatsleiter Telematik bei der Bundesärztekammer im Deutschen Ärzteblatt einen Kompromissvorschlag aufgegriffen, den ich an dieser Stelle erläutern möchte.

Wie bekannt besteht bezüglich der eGK das Hauptinteresse der Krankenkassen darin, durch ein update der Stammdaten auf der eGK die sonst regelmäßige Neuausgabe der Karten bei Umzug o.ä zu umgehen und dabei zusätzlich die Karten online auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Auf das Problem des Missbrauchs der alten KVK wurde schon an anderer Stelle eingegangen. Dazu müßten alle Arztpraxen “online” gehen.

Auf der anderen Seite steht die Forderung der Leistungserbringer nach Freiwilligkeit der Online-Anbindung. Dahinter steht die Befürchtung, dass die ärztliche Schweigepflicht durch eine irgendwie geartete Netzwerkverbindung zwischen Patientendaten führenden Systemen und einem externen Netzwerk gefährdet wird, auch wenn die Sicherheit der Telematikinfrastruktur als sehr hoch bewertet wird. Nach den Diskussionen und Beschlüssen der letzten drei Deutschen Ärztetage kann aus Sicht der Ärzteschaft nur das Prinzip der Freiwilligkeit dafür sorgen, dass sich Anwendungen entwickeln, die einen Nutzen für Ärztinnen und Ärzte darstellen: Akzeptanz durch Nutzen ist hier die Richtschnur, so schriebt Butz in seinem Artikel.

Dieser Konflikt ist in der “Bestandsaufnahme” neu aufgebrochen, er hatte zur Verzögerungen bei der Ausgabe der eGK und vor allem beim Basisrollout der Lesegeräte geführt, weil die Kassen ohne eine Klärung dieser Punkte nicht weiter machen wollten.

Nun kündigt sich auf mehreren Gebieten eine Klärung dieser Frage an. Dazu ist das nicht ganz korrekte Stichwort des “Wartezimmerkonnektors” aufgebracht worden. Im Kern geht es darum, dass Ärzte  die Wahl bekommen, ihr Netzwerk in der Praxis vollständig von der Online-Telematikinfrastruktur zu trennen. Sie erhalten auch ein Lesegerät und einen Konnektor, trennen diesen aber völlig von ihrer sonstigen Hard- und Software in der Praxis. Dazu müssen sie die eGK aber mindestens einmal im Quartal via Lesegerät und Konnektor aktualisieren und sie danach wie gewohnt ein weiteres Mal in ihrer alten Umgebung einlesen, da ja der eGK Leser in dieser Variante keine Verbindung zum Praxisverwaltungssoftware (PVS) hat. Butz erläutert die Idee wie folgt:

Der Online-Abgleich der eGK sieht vor, dass der Patient beim Besuch der Arztpraxis seine Gesundheitskarte in das Kartenlesegerät steckt. Daraufhin erfolgt eine Abfrage bei der zuständigen Krankenkasse, ob diese Karte gültig und nicht etwa als verloren oder gestohlen registriert ist. Zusätzlich wird abgefragt, ob eine Aktualisierung der Versicherstammdaten notwendig ist. Ist das der Fall, werden die neuen Daten auf die Karte aufgebracht. [….]. Die Ärzte lehnen eine zwangsweise Online-Anbindung der Praxisverwaltungssysteme entschieden ab. Auf der Grundlage der Entschließungen des 112. Deutschen Ärztetages 2009 in Mainz  hat die Bundesärztekammer folgenden Kompromiss erarbeitet: Danach nutzen Arztpraxen, die (vorerst) keine medizinischen Anwendungen der Telematikinfrastruktur (wie zum Beispiel den elektronischen Arztbrief) in Anspruch nehmen wollen, nur die Funktionalität der Gültigkeitsprüfung der Gesundheitskarte und die Online-Aktualisierung der Versichertenstammdaten. Sie erhalten die gleiche technische Ausstattung – Kartenterminals und Konnektor – wie die Arztpraxen, die medizinische Anwendungen nutzen.

Aus sicherheitstechnischer Sicht besteht durch die physikalische Trennung beider Netzwerke (lokales Praxisnetz versus Telematikinfrastruktur) keine Gefährdung einer befürchteten unkontrollierten Weitergabe medizinischer Daten aus dem Praxisverwaltungssystem.

Nachteilig an diesem Szenario ist für die Arztpraxis und ihre Patienten lediglich, dass die Gesundheitskarte zweimal gesteckt werden muss: einmal, um die VSD zu prüfen, und ein weiteres Mal, um die VSD in das Praxisverwaltungssystem einzulesen.

Auch von Seiten des Gesetzgebers scheint die Geduld zuende zu gehen. Aus streng juristischer Sicht ergibt sich schon aus dem Bundemantelvertrag von 2008  keine Alternative, da die Kassen die gesamte Honorarzahlung an die Onlineumgebung gebunden haben.  Angeblich wird bereits eine gesetzliche Verpflichtung vom Gesetzgeber diskutiert. Hierzu hatte ich an anderer Stelle berichtet.

Wie Christian Dirks in einem aktuellen Artikel der Ärztezeitung (link für Abonnenten) zu Recht sagte, gibt es langfristig gar keine Alternative:

Wenn sich die Ärzte der eGK verweigern, werden sie von der Realität überholt. Der informierte Patient wird die mit der Karte verbundenen Dienstleistungen nachfragen, Ökonomen werden uns den Nutzen vorrechnen und Politiker werden Dienstleistern die Tür öffnen. Dann könnte die Verknüpfung medizinischen Wissens über Datennetze ohne Ärzte laufen. Elektronische Patientenakten, Expertensysteme, Telemonitoring und Online-Hausbesuche werden von Unternehmen schon jetzt mit Erfolg angeboten. Diese Dienstleistungen würden dann von privaten Firmen mit angestellten Ärzten und medizinischen Hilfsberufen ausgebaut werden. Der Bedarf an Online-Kommunikation wird durch Selektivverträge, deren Struktur und Leistungsinhalte online zur Verfügung stehen, und die individualisierte Medizin erheblich zunehmen.

Aus meiner Sicht gibt es da kaum etwas hinzuzufügen.

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