Einblicke in die Wunderwelt

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Interview mit Markus Schnatmann, Producer
(tri-vision –  Medienproduktion für medizinische und pharmazeutische Themen)

Wie ist eine Niere aufgebaut? Was machen Ribosomen? Und wie funktioniert und wirkt eine Plexusanästhesie? Mit Worten lässt sich viel ausdrücken – mit Bildern noch viel mehr. Markus Schnatmann macht auch komplizierte medizinische Themen für Laien und Fachleute anschaulich. Der Medien-Producer gestaltet Grafiken, Animationen und Filme, um Wissen verständlich nahe zu bringen.
Im Interview mit medproduction erklärt Schnatmann unter anderem, was der Film „Avatar“ für die Medizin bedeuten sollte und welche Arbeit hinter einer medizinischen Animation steckt…

Zur Person: Ausbildung zum Cutter, danach Studium der Produktion an der Filmhochschule in Ludwigsburg. Mitarbeit an mehreren Fernsehproduktionen, Auslandserfahrung als SFX Producer. 2003 gründete Schnatmann tri-vision, eine Agentur, die medizinische und pharmazeutische Themen durch Grafiken, Filme oder Animationen verständlich macht.

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medproduction: Herr Schnatmann, was fasziniert Sie an medizinischen Themen?
Schnatmann: Mit unseren Projekten gehen wir häufig bis auf die kleinsten molekularen Zusammenhänge und Prozesse des menschlichen Körpers ein. Immer wieder komme ich dabei an den Punkt, dass ich Ehrfurcht verspüre. Ehrfurcht vor dem Wunder, wie dieser hochkomplexe Organismus funktioniert. Man könnte gläubig werden, wenn man bedenkt, dass ein menschlicher Körper innerhalb von 9 Monaten „versandfertig“ ist. (lacht)

medproduction: Hat sich durch Ihre Arbeit Ihr Blickwinkel verändert? Nehmen Sie zum Beispiel durch Ihre Arbeit Ihren Körper anders wahr?
Schnatmann: Nein, weniger meinen Körper als vielmehr die Natur als Ganzes. Oder soll ich sagen die Schöpfung? Ich bin nicht religiös, aber der Gedanke das Wunder der Schöpfung erhalten und bewahren zu müssen wird durch meine Arbeit immer wieder bestätigt.

medproduction: Wer sind Ihre Kunden? Was bieten Sie an?
Schnatmann: Zuerst sind es Pharmaunternehmen, die ihre Produkte und deren Wirkungsweise vermitteln möchten. Dann gibt es die klassischen Multimediaagenturen, die keine professionellen 3D-Abteilungen unterhalten. Auch die Hersteller von Medizintechnik finden zunehmend zu uns. Dabei löst die 3D-Animation die herkömmliche Fotografie in einigen Bereichen ab. Schließlich kann mittels einer Animation eine medizintechnische Anwendung besser veranschaulicht werden, als mit nur einem Foto.

medproduction: Ihre Arbeit dient also sozusagen zu Anschauungs- und Lernzwecken?
Schnatmann: Ich möchte ästhetisch anspruchsvolle Bilder produzieren, die Wissen vermitteln.
Ein wichtiger Markt, der sich jetzt schon abzeichnet ist das E-Learning. Viele Firmen beginnen die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter über firmeneigene Netze oder über das Internet zu organisieren. Damit dort nicht nur Buchstaben flimmern, wird Content gesucht. An dieser Stelle steigen wir ein.

medproduction: Was inspiriert Sie bei Ihrer Arbeit?
Schnatmann: Normalerweise inspiriert mich ein präzises Storyboard. Die meisten Kunden haben ganz genaue Vorstellungen von dem fertigen Produkt. Die Länge der einzelnen Szenen ist zeitlich exakt abgemessen. Manchmal gibt es sogar fotografische Vorlagen. Mit einem Fachberater zusammen arbeite ich mich dann in die Materie ein, bis ich sie selbst verstanden habe. Erst dann kann ich das Projekt in Bilder fassen.

medproduction: Wie viel Arbeit erfordert es, eine Grafik, eine Animation oder einen Film zu drehen?
Schnatmann: Wir bieten Realfilm und 3D-Animation aus einer Hand an. Das unterscheidet uns von fast allen Mitbewerbern. Ich bin davon überzeugt, dass viele Themen erst durch die Einbindung der Realität wirklich lebendig werden. Grundsätzlich ist der Realfilm weniger aufwändig solange keine hohen Reisekosten anfallen. Der Realfilm ermöglicht schnelle Resultate und längere Filme. Für unsere Grafiken und Animationen muss erst eine virtuelle Realität geschaffen werden. Die Objekte, zum Beispiel Lunge oder Zwerchfell, werden dabei nicht gezeichnet oder gemalt, sondern tatsächlich modelliert. Erst in einem zweiten Arbeitsgang wird die Oberfläche mit einer Textur versehen und erst danach muss unsere künstliche Welt durch Lichter beleuchtet werden. Alles, was sich im Bild bewegt, muss programmiert werden. Sie merken: Der Aufwand ist sehr hoch, aber dafür können wir auch fast alles darstellen.

medproduction: Wie sieht Ihre Arbeit in der Regel aus?
Schnatmann: Ich habe zwei sehr unterschiedliche Arbeitsmodelle. Zum einen die klassische Auftragsproduktion. Der Kunde kommt mit einer Idee und möchte diese realisiert haben. Entweder der Kunde hat bereits ein Storyboard oder ein Script, das beschreibt, was in dem Film vorkommen soll, oder wir erstellen ein Storyboard und Script in Absprache mit dem Kunden. Danach produzieren wir kostenfrei ein Schlüsselbild, um dem Kunden den Look und die Ästhetik zu zeigen, die wir dem Projekt geben wollen. Im nächsten Schritt erhält der Kunde die Modelle. Er kann jetzt sagen, ob er mit den Modellen einverstanden ist. Dann folgt die Animation mit den Modellen, das sogenannte Animatic und schließlich der fertige Film.

Viel interessanter ist aber die zweite Arbeitsweise. Hier arbeite ich als freier Produzent. Ich suche mir in Absprache mit Ärzten wichtige Themen heraus und produziere diese ohne Auftrag.

medproduction: Was ist der Vorteil davon?
Schnatmann: Auf diese Weise behalte ich alle Rechte an dem Material und kann diese separat vertreiben. Der Kunde zahlt also nicht für alle Rechte, sondern nur für das jeweilige Nutzungsrecht, das er braucht. Nehmen wir E-Learning: Das Unternehmen braucht die Animation nur intern für die Mitarbeiterfortbildung. Warum soll es dann für die gesamtdeutschen Exklusivrechte bezahlen? Um solche Konditionen anzubieten, müssen wir in sehr kostenintensive Vorleistung gehen und tragen dabei ein hohes Risiko, daher lässt sich diese Produktionsweise nicht bei allen Themen realisieren.

medproduction: Wo treten Probleme auf?
Schnatmann: Probleme entstehen entweder, weil die Vorstellungen zwischen Kunde und Grafiker trotz Vorlagen sehr unterschiedlich sind, oder weil wir eine künstliche Welt erschaffen müssen, die noch kein menschliches Auge gesehen hat. Wie stellen Sie den Alpharezeptor des Adrenalins dar? Das ist dann häufig Geschmacks-oder Ansichtsache.

medproduction: Wo sind Grenzen des Darstellbaren?
Schnatmann: (lacht) Haben Sie „Avatar“ gesehen? Wie Sie vielleicht wissen, ist die gesamte Welt auf Pandora, sind also alle Pflanzen, Tiere und sogar die humanoiden Ureinwohner im Computer entstanden. Also keine maskierten Menschen! Machbar ist mittlerweile so gut wie alles – wenn man über die nötigen Ressourcen verfügt. Avatar war der teuerste Film aller Zeiten und hat die besten Programmierer weltweit zusammengezogen. Ich plädiere dafür, die mächtigen Tools der 3D-Grafik und Animation dort einzusetzen, wo eine realistische Darstellung keinen Sinn macht.

medproduction: Wie eng ist Ihre Zusammenarbeit mit Medizinern? Haben Sie einen Arzt in Ihrem Team oder befragen Sie themenspezifisch einen Facharzt, bevor Sie ein neues Projekt starten?
Schnatmann: Ich bin Nichtmediziner, aber selbst als Mediziner müsste ich mich in die hochspezifischen Themen immer wieder neu einarbeiten. Nicht umsonst gibt es auch innerhalb der Medizin verschiedene Disziplinen. Natürlich kann ich mittlerweile auf einige Spezialisten zurück greifen, sollte dies nicht ausreichen, ziehe ich unbedingt einen weiteren Fachberater hinzu. Wir realisieren kein Projekt ohne ärztliche Berater.

medproduction: Wünschen sich Ärzte den „aufgeklärten Patienten“? Oder hat dies auch Nachteile für sie?
Schnatmann: Ärzte wünschen sich einen mündigen Patienten. Je mehr der Patient über sich und seinen Körper beziehungsweise seine Erkrankung weiß, umso besser kann der Arzt die Therapie und mögliche Konsequenzen erörtern. Der Arzt wird sich mit einem gut informierten Patienten natürlich anders befassen müssen. Im Gegensatz zum Allgemeinarzt, der ein breites Wissensspektrum hat, kann der Patient ein sehr präzises Wissen seiner Krankheit mitbringen. Das verschiebt zwar nicht die Kompetenz, aber schmälert den Wissensvorsprung des Mediziners gegenüber dem Patienten.

medproduction: Sehen Sie darin auch Probleme?
Schnatmann: Das Problem liegt in der Unzahl ungesicherter Informationen, die das Internet für Hilfesuchende bereit hält. Viele Patienten werden erst krank, wenn sie die pseudomedizinischen Foren und Portale durchstöbern und dabei alle möglichen Symptome bei sich wiederfinden. In meinen Augen würde es Sinn machen, einen medizinisch gesicherten Server aufzubauen, der einhundert Prozent verlässliche Informationen zum Thema Gesundheit bietet.

medproduction: Wie sehen Sie die Zukunft der Medizin? Was davon deutet sich heute bereits an?
Schnatmann: Für meinen Bereich sehe ich eine ganz klare Verlagerung weg von gezeichneten medizinischen Grafiken hin zu 3D-Bildern beziehungsweise bewegten Animationen. Dieser Prozess hat schon länger die großen Verlage erfasst und wird die gesamte Gesundheitsbranche betreffen. Dort, wo medizinische oder pharmazeutische Inhalte vermittelt werden sollen, wird sich die 3D-Darstellung durchsetzen.

medproduction: Was macht Ihnen am meisten Spaß an Ihrer Arbeit?
Schnatmann: Ich habe früher viel gemalt und gezeichnet. Das sinnvolle Komponieren von Farben und Formen zu einer virtuellen Welt ist faszinierend!

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medproduction: Herr Schnatmann, vielen Dank für das Interview!

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