Für viele unglaublich, unvorsstellbar und ständig verdrängt, deshalb sei es nochmals erwähnt:
Für die Versorgung eines Kassenpatienten bekommt Ihr Arzt pro Quartal einen Pauschalbetrag zugestanden – der nennt sich “Fallwert” – der in der Regel schon durch die Leistungen bei der ersten Untersuchung überschritten wird.
Konkret heißt das:
jeder weitere Besuch bei Ihem Arzt ist für diesen eine “Null-Nummer”´.
Im Gegenteil: es nimmt ihm die Zeit für andere, neue Patienten, für die er wenigstens noch einen “Fallwert” bekäme.
Die Folge?
Steil absinkende Motivation bis Frust bei Folgebesuchen Ihrerseits
ODER
mehr oder weniger Verweigerung weiterer Besuche Ihrerseits
ODER
Abschieben zu anderem Arzt / Facharzt / in die Klinik.
Ein Beispiel aus dem prallen Leben
34-jährige Frau, die sich den Außenknöchel an einem rostigen Nagel aufreisst. Die verschmutzte Wunde heilt schlecht. Sie geht zum
1) Hausarzt
Der reinigt und verbindet die Wunde ein Mal und drückt ihr dann einen Packen Kompressen und sonstiges Verbandsmaterial zur Selbstbehandlung in die Hand. Beim zweiten Besuch – die Wunde ist schon zunehmend tiefer, eitriger und stinkender zuckt er nur noch und überweist zum …
2) Chirurgen
Der Chirurg reinigt die Wunde, verordnet ein Antibiotikum und drückt der Patientin erneut einen Packen Verbandsmaterial zur Do-it-yourself-Versorgung in die Hand. Die Wunde stinkt nicht mehr ist aber tief, bis zur Muskelfaszie bzw. bis zu den Sehnen und mittlerweile zunehmend größer. Beim nächsten Besuch schickt der Chirurg, angefressen vom erneuten Besuch, in die …
3) Klinik
Dort liegt die Patientin drei Tage, ohne dass konkrete Schritte ergriffen werden. Bei einer Visite erfährt sie, dass sowas ja eigentlich nicht stationär behandelt werden müsste. Sie entlässt sich, nachdem 2 Tage kein Arzt mehr aufkreuzte selbst und verbindet sich wieder wochenlang (!) selbst. Die Wunde wird zunehmend trocken, es wächst nichts mehr zu, da der dreiecksförmige Hautdefekt mittlerweils ca. 7×5x5cm groß ist.
4) Monatelang krank – OP fällig
Als ich die Patientin zum ersten Mal sehe, ist sie bereits mehr als 3 Monate krank geschrieben, weil sie mit dem Fuß eigentlich in keine Schuh mehr richtig kommt und ständig Schmerzen hat beim Gehen. Sie ist ratlos, da sie sich von Hausarzt, Facharzt und Klinik abgelehnt und nicht ernst genommen fühlt. Als ich die Wunde (ich habe es fotografiert) betrachte, bekomme ich rasende Wut, erst auf die Kollegen, dann aber vor allem auf das “System”, das diesen Wahnsinn produziert.
Sie ist nun stationär in einer plastischen Chirurgie, wird wohl eine komplizierte Haut-transplantation brauchen. Aber wenigstens geht jetzt wieder was vorwärts. Vorwärts geht es jetzt nur, weil sie einen Arzt zum Bekannten hat, der nun die Schnauze voll von diesen Spielchen hatte. Ansonsten würde sie wohl weiter mit ihrem offenen Fleisch rumhumpeln.
Wenn das Geld nicht der Leistung folgt, folgt die Leistung dem Geld
Wenn man es sich einfach macht, könnte man sagen: die Ärzte handelten ethisch-moralisch verwerflich, weil sie die Pat. nicht ordentlich behandelt hätten. Aber ich frage Euch:
Habt Ihr Euer Auto schon mal zu Werkstatt gebracht und nach der Reparatur einen Schein bekommen, auf dem draufsteht:
lieber Autobesitzer. Wir haben Ihr Auto heute für eine Flatrate von 42€ repariert. Wenn innerhalb der nächsten drei Monate nochmals ein Defekt auftritt oder Sie einen Unfall verursachen, kommen Sie gerne wieder. Wir reparieren dann Ihr Auto so oft Sie wollen für 0,00€ !!!
Ihr Werkstattteam von Paul Pald-Pleite
Ein System, das Nichts-Tun belohnt und Engagement im Keim erstickt, muss sich nicht wundern, dass die Versorgung zusammenbricht.
Eingetragen unter:Kranke Gesundheitspolitik, Praxislust – Praxisfrust (Alltag) Tagged: Fallwert, Gesundheit, Kopfpauschale, Medizin, Regelleistungsvolumen