Im Schwesternzimmer ist es ungewöhnlich laut.
“Nein, das gibt es nicht!” sagt Schwester Anna, “das können die doch nicht machen.”
“Wenn die wollen, dann können die alles!” erwiedert Schwester Paula.
“Aber da muss es doch Widerstand geben!” Schwester Anna wird immer lauter, “Nein, nicht irgendwer, sondern wir müssen uns wehren! Jeder einzelne von uns!”
Jenny schüttelt den Kopf.
“Glaubt Ihr etwa, irgendwer hört auf uns?”
Ich trete ein und greife wie üblich zunächst mal zur Kaffeemaschine.
“Könnt Ihr mir vielleicht einmal sagen…?”
“Widerstand!” wiederholt Schwester Anna, “Aktiver Widerstand, bis zum Letzten!”
“Hallo!”
Keiner nimmt mich wahr.
“Haalloo!”
Jenny grinst in meine Richtung.
“Könnt Ihr mir vielleicht einmal sagen, worum es hier geht?”
“Lies doch selbst!”
Jenny schiebt mir ein zerlesenes Exemplar des ‘Dingenskirchener Anzeigers’ hinüber, aufgeschlagen auf der Lokalseite. Da ist ein Bild von unserem Herrn Verwaltungsdirektor.
“Krankenhaus beschreitet neue Wege!” lautet die Überschrift. Im Artikel geht es zunächst einmal darum, dass sich alle Fraktionen des Kreistages einig darüber sind, wie wichtig das Krankenhaus ist und dass man den Standord auf jeden Fall sichern will, und so weiter, blablabla, alles schon tausendmal gehört und nie geglaubt, aber fatalistisch wie ich nunmal bin hätte ich auch das Gegenteil niemals so richtig wahrhaben können.
Der Hammer folgte im vorletzten Absatz.
“…allerdings sind Alternativen zur kommunalen Trägerschaft ernsthaft zu erruieren. Hierzu wurden bereits erste Sondierungsgespräche mit Vertretern mehrerer großer Klinikkonzerne geführt. Vor einer Privatisierung sind jedoch zunächst wichtige Umstrukturierungen und auch Mitarbeiteroptimierungen notwendig…”
Ich nehme die Zeitung in die Hand und schleiche mich nach nebenan ins Arztzimmer.
Kalle sitzt am Schreibtisch und diktiert.
Wortlos lege ich ihm den Artikel vor die Nase.
Kalle hält inne und dann wird er kreidebleich.
“Mir ist schlecht!” sagt er.