Was sagt man dazu?
Vor fünf Jahren habe ich in meinem Buch “Geister, Gothics, Gabelbieger” die Frage aufgeworfen: “Wieso wollen junge Mädchen eine Hexe sein?”
Die ersten paar Zeilen der Antwort gingen so:
Schlicht gesagt: Um frei zu sein von Sorgen und Beschränkungen.
Nicht umsonst zielt die Popularisierung und Vermarktung des Hexen-Themas vor allem auf junge Mädchen zwischen zehn und 16 Jahren. In dieser Altersgruppe sind Okkultismus und Magie besonders gefragt – ob bei Liebeskummer, Schulsorgen oder Weltschmerz.
Die „neue Hexe“, analysiert Matthias Pöhlmann vom Esoterik-Referat bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), „dient weiblichen Teenagern oft als Identifikationsfigur, um sich der eigenen Bedeutung bewusst zu werden und Probleme auf magisch-spielerische Weise lösen zu können.”
Stimmt das?
Gestern hat sich das jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung genau dieses Themas angenommen – und zwar in Form der populären “Jungsfrage”, der folgendes Konzept zugrunde liegt:
Immer zum Wochenende: Jungs fragen Mädchen fragen Jungs, weil manches kapiert man einfach nicht bei denen.”
Zum Beispiel eben die Sache mit der “Hexe”:
Das wirkt jetzt vielleicht nicht so zwingend, aber es ist eine Sache, die mir schon lange immer mal wieder auffällt und jetzt muss sie raus: die Hexe. In jeder Community und jedem Forum taucht diese altmodische Berufsbezeichnung auf, meistens als Teil des Namens einer Userin. Da sind dann das Hexilein oder die Kleine Hexe, Gewitterhexe, Sexyhexe, hexchen88, etc. …
Ist das ein aus der Kindheit rührendes Role-Model? Geht es ums Wildsein, wollt ihr jemanden verhexen? Sagt doch mal.”
Es antwortet ein Mädchen mit dem Pseudonym mercedes-lauenstein:
Hexen sind schließlich alt, schrumpelig und übel verwarzt, oder? Aber so einfach ist das nicht. Denn wir nähern uns hier einem weiblichen Instinkt, der tatsächlich allen Mädchen innewohnt. Und der in seiner ursprünglichen Reinheit außerdem unverzichtbar für die Entwicklung einer echten Superfrau ist – und daher äußerst ernst zu nehmen: die unabdingbare Faszination für starke Frauenbilder.
Die Hexe ist da durch ihre Fähigkeit des Zauberns natürlich weit oben auf der Liste der bewunderten Idole. Sie setzt sich durch ihre übersinnlichen Fertigkeiten über jegliche Formen weltlicher Macht hinweg – ganz abgesehen davon, dass sie nebenbei auch noch fliegen kann!
Sie ist auf niemanden angewiesen außer auf sich selbst – kann also tun und lassen, was sie nur will. Diese Autarkie fasziniert uns kleine Mädchen von Kindesbeinen an.”
Eine interessante Erfahrung bei Schüler-Vorträgen ist übrigens die Diskusssion um den “Liebeszauber”. Gut oder schlecht?
Allermeistens meldet sich dann eine kesse Jung-Hexe zu Wort, die engagiert und wortreich erklärt, dass sie doch nur “weiße Magie” betreibe und damit anderen helfen wolle. Die Gegenfrage, was daran gut und “weiß” sein soll, einem anderen Menschen den eigenen Willen aufzuzwingen und dem Schicksal ins Handwerk zu pfuschen (vorausgesetzt natürlich, der faule Zauber würde tatsächlich funktionieren), führt dann schnell zu einer lebhaften Unterrichtsstunde.
Zumindest bis zu einer gewissen Altersstufe. Später empfinden die jungen Damen diese Frage allenfalls noch als seltsam.
So auch “mercedes-lauenstein”:
Dazu sei aber bitte auch gesagt, dass man diese betuliche Selbstdarstellungsphase vielleicht mit spätestens 18 Jahren überwunden haben sollte. Es wäre dann nämlich gesünder, fortan sein eigenes Idol zu sein. Sich als gestandene Frau immer noch unter einem „Hexen“-Pseudonym als besonders querdenkerisch auszugeben, wirkt albern.”
Zum Weiterlesen:
- “Mädchen, warum wollt ihr Hexen sein?” jetzt.de am 12. März 2012