Open Source in der Medizin?

Einer Heise Meldung zu Folge möchte  Medfoss.apfelkraut.org einen umfassenden und strukturierten Überblick über freie Software für das Gesundheitswesen geben. Derzeit sind dort über 120 Projekte vom Krankenhausmanagement bis zu spezieller Software für Zahnärzte gelistet, sortiert sowohl nach Art der Anwendung als auch nach der Funktion im Rahmen einer Praxis oder eines Krankenhauses. Projekte können bewertet und kommentiert werden.

Medfoss beschreibt sich selbst wie folgt:

Medfloss.org should provide a comprehensive and structured overview of Free/Libre and Open Source Software (FLOSS) projects for the health care domain. Moreover it should offer a platform to foster the exchange of ideas, knowledge and experiences about these projects.

Aus meiner Sicht, wie auch aus Sicht eines Kommentators, ist das Problem dabei das Medizinproduktegesetz.  Ein Medizinprodukt ist ein zertifiziertes Produkt, welches einen Patienten nicht gefährden soll. Hierfür gibt es ein kostenpflichtiges Zulassungsverfahren, so dass der Open Source Gedanke damit aus meiner Sicht unterlaufen wird. Beispiele für solche Medizinprodukte sind EKG-Geräte, Röntgensysteme, Ultraschallgeräte und vieles mehr. Alles Systeme, die heutzutage mit Computersystemen ausgestattet sind, fast ausnahemslos also mit Windows Systemen. Jeder neue Patch des Betriebssystems ist eine Änderung des Medizinproduktes, das also neu auf seine Ungefährlichkeit hin zertifiert werden müßte. Die Systeme einfach selbst zu patchen hilft nicht weiter, denn dann verliert man die Herstellerhaftung des Medizinproduktes.

Doch das Hauptproblem, in welchem sich ein Krankenhaus von einem Betrieb unterscheidet, ist der Einsatz von vernetzten Medizinprodukten.

Und hier beginnt das Problem. Wie gesagt ist ein Medizinprodukt  ein zertifiziertes Produkt, welches einen Patienten nicht gefährden soll. Damit dies gelingt, wird das Produkt sozusagen “eingefroren” –  es wird also in einem Zustand ausgeliefert, der zuvor bezüglich des Risikos analysiert und bewertet wurde. Für herkömmliche Produkte ist das auch genau die richtige Methode. Schlimm wird es, wenn wir von “vernetzten Medizinprodukten” reden. Also einer Kombination eines herkömmlichen Medizinprodukts mit einer IT-Komponente die am Netzwerk angeschlossen wird.

Dieses System ist immer noch statisch, da der Hersteller alle Patches (als Änderungen am Produkt) freigeben muss. Wir haben also eine Verzögerung zwischen der Herausgabe eines Patches von einem Softwarehersteller und der Überprüfung und Freigabe des Patches durch einen weiteren Hersteller, dem des Medizinprodukts. Im schlimmsten Fall übrigens ist es so, dass ein Hersteller von Medizinprodukten sein System niemals patched. Was nach meiner Erfahrung eher die Regel, als die Ausnahme ist.

Quelle:

Heise Meldung

früherer Artikel zum Thema Medizinprodukte

One thought on “Open Source in der Medizin?

  1. In der Tat scheint die Softwareentwicklung nach dem Open Source Prinzip “Release fast, release often” den Anforderungen an Medizinprodukte im Weg zu stehen. Es gibt einen sehr interessanten Aufsatz von Eric S. Raymond (sehr aktiver Protagonist in der Open Source Szene) mit dem Titel “The Cathedral and the Bazaar”. Dort wird die OSS Entwicklung als Basar beschrieben und die “konventionelle” Softwareentwicklung als Kathedrale.

    Wir bei aycan schaffen es mit OsiriX PRO den Spagat zwischen den Vorteilen der OSS Entwicklung und den Grundlegenden Anforderungen des Medizinproduktegesetzes hinzubekommen. Wir nutzen die Vorteile der OSS Community und erfüllen die regulatorischen Anforderungen für die EU und die USA. Natürlich haben wir eine Verzögerung, da der regulatorische Anteil an der Software-Entwicklung von Medizinprodukten einen nicht unerheblichen Teil ausmacht.

    Immer wieder stellen wir fest, dass viele OsiriX Anwender sich der Thematik “Medizinprodukt” nicht im Klaren sind und versuchen mit Workshops und Vorträgen (z.B. Medconf 2009 und WÜMEK 2009) das Bewusstsein dafür zu wecken. So haben wir beim Europäischen Röntgenkongress ECR 2010 sechzehn OsiriX Workshops für ca. 350 Teilnehmern durchgeführt. Dort wurde neben dem reinen Anwendertraining auch das Thema OsiriX als Medizinprodukt diskutiert.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kathedrale_und_der_Basar
    http://aycandigital.blogspot.com/2009/05/open-source-software-in-der-medizin.html

    Stephan Popp
    aycan Digitalsysteme GmbH

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