Liebe Ärzte,
Das Aknemittel Isotretinoin wie in Roaccutan und seinen Generika (Tretinac, Curakne, Liderm und Isotretinoin Mepha) war noch nie ein einfaches Medikament. Bei der Verordnung müssen verschiedene Dinge beachtet werden –die wichtigsten: keine Vorgeschichte mit Depressionen, weil das Medikament selbst welche machen kann – engmachige Kontrolle wegen möglicher Hautprobleme und falls es für eine Frau ist muss eine Schwangerschaft vor und während der Behandlung unbedingt ausgeschlossen werden, da der Wirkstoff teratogen ist, also Missbildungen macht. Inzwischen wurde man noch vorsichtiger und Frauen soll nicht mehr als der Bedarf für einen (1!) Monat verordnet werden. Das bedeutet: Keine 100er Packungen und keine Dauerrezepte mehr dafür.
Im Kompendium steht:
Verschreibungs- und Abgabeeinschränkungen
Verschreibungen für Roaccutan müssen für Frauen im gebärfähigen Alter auf einen Behandlungszeitraum von 30 Tagen limitiert sein, und eine Fortsetzung der Therapie erfordert eine erneute Verschreibung. Idealerweise sollten der Schwangerschaftstest, die Ausstellung des Rezeptes und die Abgabe von Roaccutan am selben Tag erfolgen. Die Abgabe von Roaccutan muss innerhalb von maximal 7 Tagen nach der Ausstellung des Rezeptes erfolgen.
Ja, tut mir auch leid. Wenn ich ihnen also telefoniere, nachdem sie – wieder einmal – ein Rezept über 3 Monate ausgestellt haben, werden sie nicht aggressiv und sagen „Das weiss ich. Es gibt aber Apotheken, die das trotzdem abgeben, ohne jedes Mal anzurufen.“
Mag sein. Aber dazu gehören wir nicht.
Ich darf an der Stelle über die Vorschriften betreffend „Off label use“ von Medikamenten aufklären.
Unter Off-Label-Use versteht man die Verordnung eines zugelassenen Fertigarzneimittels außerhalb des in der Zulassung beantragten und von den nationalen oder europäischen Zulassungsbehörden genehmigten Gebrauchs, beispielsweise hinsichtlich der Anwendungsgebiete (Indikationen), der Dosierung oder der Behandlungsdauer.
Sie als Arzt dürfen tatsächlich trotz den Vorschriften auch für Frauen grosse Packungen aufschreiben. Da das aber nicht den Vorgaben entspricht, ist es definitionsgemäss eine off label use.
– Darüber müssen sie als Arzt die Patientin aufklären.
– Ausserdem müssen sie ihr sagen, dass sie als Arzt dementsprechend die volle Verantwortung übernehmen, wenn bei dieser Art Anwendung etwas schief geht.
– Plus sie müssen die Patientin darüber aufmerksam machen, dass die Krankenkasse das nicht übernehmen muss – das ist übrigens das, was bei den Patienten in der Apotheke am meisten zieht: da gehen sie lieber zur Kontrolle und holen sich ein neues Rezept.
Und unsere Verantwortung in der Apotheke ist, wenn wir eine „off-label“ Anwendung sehen, beim Arzt anzurufen, ob das ok ist und er den Patienten aufgeklärt hat. Das wird bei uns dann auch festgehalten. Sicher ist sicher.
P.S. obiges stimmt genauso für die ungewöhnlich hohen Dosierungen von Antibiotika, die in Krankenhäusern in letzter Zeit immer mehr verschrieben werden. Wenn das mehr ist als in der Packungsbeilage vorgegeben, braucht es einen Rückruf beim Arzt wegen „off label use“.
Wenn das wirklich gewollt ist, könnte man als Arzt auch, um das Ganze etwas abzukürzen ein „sic!“ hinter die Dosierung schreiben. Dann wissen wir, dass das gewollt ist.
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