Spätestens seit Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler eine Landarztquote vorgeschlagen hat, ist es kein Geheimnis mehr, dass die flächendeckende gesundheitliche Versorgung besonders im ländlichen Raum nur noch mit Kooperationen, Innovation und Experimenten ermöglicht werden kann. Als Grund dafür werden die alternde Gesellschaft und – unter anderem weil der demographische Wandel natürlich auch vor den Ärzten selbst nicht Halt macht – der zunehmende Ärztemangel genannt.
Doch stimmt das mit dem Mangel an Ärzten womöglich gar nicht? Seit einigen Wochen kursiert die These, dass es in Deutschland sehr wohl genügend Ärzte gibt. Nur sind diese vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort… (Einige medizynische Kollegen sprechen gar vom "Gespenst Ärztemangel")
Im Artikel Lücken im System berichtet der Spiegel darüber, dass in Deutschland derzeit so viele Ärzte praktizieren wie nie zuvor. Laut Focus „steigt die Zahl der niedergelassenen Ärzte seit Jahren.“
Im Sozialgesetzbuch V, §72 (2) ist geregelt, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen, in denen sich niedergelassene Ärzte selbst verwalten, für die flächendeckende Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständig sind:
Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, daß eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.
Wir berichteten jedoch bereits im Januar darüber, wie schwierig es ist, Ärzte dazu zu bewegen, beispielsweise in den Berlin-fernen Gegenden Brandenburgs zu praktizieren.
Auch Dr. Thomas Scharmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Facharztverbandes e.V., weist darauf hin , dass für junge Ärzte mit Familie die Niederlassung im ländlichen Raum besonders aufgrund der fehlenden Infrastruktur unattraktiv erscheint. Er zitiert eine Kollegin:
„Ich lasse mich doch nicht in einer Region für die nächsten 30 Jahre nieder, in der es in zehn Jahren keine Patienten und schon jetzt keine Schulen mehr gibt!“
Er weist in seinem Brief an den Spiegel darauf hin, dass die gesundheitliche Versorgung des ländlichen Raumes allein mit Haus- und Kinderärzten nicht zu bewerkstelligen sei, besonders da mit steigendem Alter auch die Anzahl chronischer Erkrankungen zunimmt, für deren Behandlung Fachärzte benötigt werden.
Um festzustellen, wo Ärzte am dringendsten gebraucht werden, nutzt die Kassenärztliche Bundesvereinigung seit Juni 2007 die so genannte* „Kleinräumige Versorgungsanalyse“ (KVA)* online. Damit wird ermittelt, welcher Vertragsarztsitz besonders dringend besetzt werden muss.
Darüber hinaus ist 2009 in Brandenburg die „Arbeitsgemeinschaft Innovative Gesundheitsversorgung in Brandenburg“ (IGiB) gegründet worden. Ziel der Zusammenarbeit der kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg mit der Landes-AOK ist es, die Versorgungsprobleme in diesem Bundesland zu lösen und durch eine verbesserte flächendeckende Versorgung eine höhere Zufriedenheit der Patienten zu erreichen.
Der Deutsche Facharztverband e.V. plädiert für ein „Flying Doctors“-System, bei dem Fachärzte aus Ballungsräumen auf einer Rotationsbasis die Versorgung der Patienten in ländlichen Gebieten übernehmen.
Abschließend bleibt zu sagen, dass eine flächendeckende Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum nur mit immer mehr Aufwand aufrecht erhalten werden kann.
Quellen:
Flickr Beelitz Heilstätten (HDR) von Norbert Löv
Katrin Elger Lücken im System in Der Spiegel (15/2010)
Meike Spierings Dem Ärztemangel vorbeugen in KBV Klartext (April 2010)
Dr. Thomas Scharmann, Bundesvorsitzender Deutscher Facharztverband e.V: Leserbrief an die Redaktion "Der Spiegel" (14.04.2010)