retten und sterben lassen im Hurrikan

Die Folgende Zusammenfassung ist für jene Leser gedacht, welchen diese
Blognotiz zu kurz und der Originalartikel zu lang oder zu englisch ist.

Also:
New Orleans, Ende August 2005.
Hurrikan Katrina hat Stadt und Land verwüstet, aufgrund gebrochener Deiche sind weite Teile der Stadt überflutet. Zudem ziehen bewaffnete Banden plündernd durch die Gegend und behindern die Rettungsarbeiten erheblich.
In einem Krankenhaus sind mehrere hundert Menschen eingeschlossen. Der Strom ist ausgefallen, auch die Notstromaggregate machen schlapp, die Klimaanlagen sind längst ausgefallen und es ist tropisch heiß. Trinkwasser und Vorräte werden knapp.
An eine sinnvolle Behandlung oder Versorgung der Kranken ist nicht mehr zu denken. Vorräte und sauberes Trinkwasser werden knapp.
Die Patienten sollen mit Hubschraubern und Booten evakuiert werden. Dazu müssen sie vom Personal über mehrere Stockwerke hinweg hinaus aufs Dach oder hinunter in die Eingangshalle getragen werden, teilweise durch enge Durchgänge hindurch. Manche Patienten sind über 150 Kilo schwer. In den USA ist sowas ja nicht ungewöhnlich.
Die Arbeiten gehen nur langsam voran. Ärzte, Schwestern und andere Angestellte sind erschöpft. Wie lange werden sie noch durchhalten?
Die Zeit drängt.
Wird man es schaffen, alle Leute zu evakuieren? Werden die Schwerstkranken auf der Intensivstation die Strapazen des Transportes überstehen?
Die Ressourcen sind begrenzt.
Ärzte müssen entscheiden: Wer kommt zuerst dran? Wer kann warten? Wer muss zurückbleiben, weil er sowieso nur geringe Chancen hat?
So etwas nennt man Triage: eine ethische Gratwanderung, vielleicht eine der kniffeligsten und umstrittensten ärztlichen Aufgaben, die aber in Katastrophensituationen unvermeidbar ist.
Diejenigen Patienten mit guten Überlebenschancen werden vorrangig evakuiert.
Die Schwerstkranken auf der Intensivstation, einige von ihnen vielleicht auch sowieso schon dem Tode nahe, bekommen niedrige Priorität. Wird man sie zurücklassen müssen? Darf man sie aufgeben und damit riskieren, in die Hände der Plünderer zu fallen und von diesen womöglich gequält, misshandelt, vergewaltigt oder gar ermordet zu werden? In der Nachbarschaft hört man Schüsse.
Ist es Zeit für die Retter, sich endlich selbst in Sicherheit zu bringen?
Nerven liegen blank.
Einige der Schwerstkranken bekommen Beruhigungsmittel gespritzt. Einige auch Morphium. Morphium ist bekanntlich ein starkes Schmerzmittel.
Haben diese Patienten überhaupt über Unruhe oder Schmerzen geklagt?
Später werden Zeugen berichten, in Gesprächen zwischen Ärzten und Pflegepersonal habe es geheißen, “man wolle diese Kranken von ihrem Leiden erlösen”. Oder so ähnlich. Jedenfalls sind nachher mehrere Menschen tot.
War ihr Ableben unvermeidbar? Wurde es billigend in Kauf genommen? Hat man gezielt Euthanasie betrieben? Oder die Leute gar kaltblütig um die Ecke gebracht, weil sie lästig waren?
“Das war Mord!” lautet der Vorwurf gegen eine Ärztin.
Sie wird verhaftet.
Die Anklage wird später – auch auf öffentlichen Druck hin – fallen gelassen.
Was wirklich geschehen ist, wird wohl niemals herauszufinden sein.

Quelle:

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