Turiner Grabtuch II: Die ewige Mär vom “Negativ”

Auch die aktuelle Stern-Titelgeschichte (weiterer Bericht dazu folgt) wärmt zum x-ten Mal die ewige Mär auf, nach der “das Bild des Mannes ein Negativ” sei. Diesmal gibt als Gewährsmann Bruno Barberis, “Direktor des Internationalen Zentrums für Sindonologie”, den Ahnungslosen.

Wie kommt der Herr Professor auf sowas?
1898 wurde das Turiner Grabtuch anlässlich der Hochzeit von Viktor Emanuel III. von Savoyen mit Helena von Montenegro öffentlich ausgestellt. An den Turiner Ratsherrn, Rechtsanwalt und Hobby-Fotografen Secondo Pia erging die Erlaubnis, ein Foto davon zu schießen. Als Pia die Platten in seiner Dunkelkammer entwickelte, enthüllte er eine scheinbare Sensation: Auf dem Negativ erschienen nicht die verschwommenen Konturen, wie das Tuch sie zeigt, sondern deutlich das ausgeprägte Bild eines Mannes.

Anders gesagt: Auf Fotos oder mit bloßem Auge kann man das eingeprägte Bild des unbekleideten bärtigen Mannes nur schwach und ohne starke Kontraste ausmachen. Auf einem Foto-Negativ mit Hell-Dunkel-Umkehrung treten dagegen Gesicht und Körper unerwartet sehr viel deutlicher, nahezu lebensgetreu, hervor.

Muss man daraus nun schließen, dass das Negativ das eigentliche (Positiv-) Bild abgibt, also das Abbild auf dem Grabtuch selbst eine Art Negativ ist? Das wiederum würde ein Fälschung ausschließen, denn: „Sollte ein Maler des 13. Jahrhunderts ein Negativbild gemalt haben – ein halbes Jahrtausend vor der Erfindung der Fotografie?“, argumentierte auch der Jesuit und “Grabtuchexperte” Werner Bulst in seinem Büchlein Das Grabtuch von Turin: “Eine absurde Vorstellung!”

Also: Wie käme ein Maler im 14. Jahrhundert dazu, ein fotografisches Negativ zu gestalten?
Die Antwort ist recht simpel und widerlegt zugleich die gesamte These vom geheimnisvollen und unerklärlichen „Negativ“: Der Abdruck auf dem Turiner Grabtuch ist nämlich kein echtes Negativ. Und das ist recht simpel zu erklären:
Wenn das Abbild auf dem Tuch ein Negativ wäre, dann würden wir auf dem Negativ vom Negativ – also auf dem Foto von Secondo Pia – erkennen, wie es richtig aussieht.
Die berühmte Aufnahme des Turiner Hobby-Fotografen zeigt aber den Mann auf dem Tuch mit weißen Haaren und weißem Bart. Und so hat Jesus Christus als Jude im Nahen Osten ganz gewiss nicht ausgesehen.

Na denn: Frohe Ostern, Herr Professor Barberis. Und weiterhin fröhliches Grabtuchforschen.

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