Ärztetag: Gesundheitskarte endgültig einstampfen

Das umstrittene Telematik-Projekt der elektronischen Gesundheitskarte müsse „endgültig aufgegeben“ werden, fordern die Delegierten des Deutschen Ärztetages in Dresden.

Ein ensprechender Antrag wurde heute mit 105 zu 86 Stimmen angenommen. Antragsteller war der Delegierte Dr. Axel Brunngraber (Hannover). Neben dem Schutz der sensiblen Patientendaten argumentiert der Entschließungsantrag auch mit den Milliarden-Kosten, die das Projekt elektronische Gesundheitskarte in Zeiten des Ärztemangels und wirtschaftlicher Schwierigkeiten verursache.

Der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, wies nach der Abstimmung darauf hin, dass Politik und Ärzteschaft mit dem Beschluss nun verantwortungsvoll umgehen müssten. Dieses wichtige Signal zur Sicherung der Patienten-Informationen und der ärztlichen Unabhängigkeit müsse schnell in die öffentliche Debatte eingebracht werden. „Auch der Bundesgesundheitsminister muss nun erkennen, dass dieses Projekt von der Ärzteschaft abgelehnt wird, da es Gefahren birgt, die Versorgung nicht nennenswert verbessern kann und wichtige, dringend an anderen Stellen benötigte finanzielle Ressourcen verschlingt.“

Im Folgenden dokumentieren wir den Beschluss komplett:

Der 113. Deutsche Ärztetag fordert von der Bundesregierung, das verfehlte Projekt elektronische Gesundheitskarte (eGK) in der weiter verfolgten Zielsetzung endgültig aufzugeben.

Damit können bis zu 14 Milliarden Euro Versichertengelder eingespart werden. Insbesondere wendet sich der 113. Deutsche Ärztetag entschieden gegen die Verwandlung der Arztpraxen in Außenstellen der Krankenkassen durch Verlagerung des Versichertendatenmanagements in die Praxen. In Zeiten drohenden Ärztemangels, vor allem in ländlichen Regionen, ist dieses Vorhaben kontraproduktiv.

Vier Jahre nach dem ursprünglichen Einführungsjahr der eCard 2006 ist die neue Versichertenkarte noch immer nicht praxisreif, aber 700 Millionen Euro an Beitragsgeldern wurden allein im Jahr 2009 für die 1. Phase des sogenannten „Roll-out” im Gesundheitsfonds eingeplant.

Die bisherigen Testergebnisse waren negativ, und die Tests wurden bereits 2008 weitgehend eingestellt. Eine kostspielige Neuauflage in Nordrhein wäre unverantwortlich. Das neue Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Vorratsdatenspeicherung bei Telefondaten widerspricht einem Beharren auf dem „weltgrößten IT-Projekt” mit geplanter Vorratsdatenspeicherung aller Kontakte zwischen Ärzten und Patienten und insbesondere auch allen weitergehenden Anwendungen im Rahmen einer Telematikinfrastruktur, wie der Erstellung von E-Rezepten oder elektronischen Patientenakten, die derzeit nur verschoben, nicht aber ad acta gelegt wurden.

Die jetzt vorgesehene „Online-Stammdatenaktualisierung” der Versichertendaten an der Anmeldung der Arztpraxen mit der Speicherung der sensiblen Stammdaten, wie z. B. der Teilnahme am „Chronikerprogramm” Diabetes oder Brustkrebs, in einer zentralen Serverstruktur widerspricht dem Recht der Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung durch die mögliche Erstellung von Bewegungsprofilen. Das Recht der Ärztinnen und Ärzte auf geschützte und praktikable Durchführung ihrer ärztlichen Aufgaben wird missachtet. Es ist zu befürchten, dass vor allem zu Quartalsbeginn in allen Regionen ohne schnellen DSL-Anschluss die Arbeit in den Arztpraxen lahmgelegt wird.

Moderne Möglichkeiten der Datenübertragung können auch ohne die staatlich aufgezwungene Telematikinfrastruktur für die ärztliche Versorgung genutzt werden. Für den elektronischen Arztbrief ist eine Totalvernetzung nach staatlichen Vorgaben überflüssig.

Auch der Notfalldatensatz ist in allen Tests bisher gescheitert und wäre besser auf einem ohne Online-Infrastruktur auslesbaren Ausweis aufgehoben.

Das eCard-Projekt war von Anbeginn ein Teil des Plans zur Umgestaltung unseres Gesundheitswesens im Sinne einer Managed-Care-Medizin. Wir lehnen eine renditeorientierte Massenabfertigung unserer Patienten ab. Patienten sind keine Kunden, Ärzte keine Dienstleister, und das eCard-Projekt untergräbt die Schweigepflicht, widerspricht der europäischen Berufsordnung und gefährdet das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis.

beschlossen auf dem 113. Deutschen Ärztetag am 14.5.2010
(edit 17.5.2010: Übernahme des von der Bundesärztekammer veröffentlichten Beschlusses)

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