Ende gut alles gut?

Eine schöne, interessante, aber auch harte Expedition geht zu Ende. Ein wild zusammengewürfeltes Bergsteiger-Team formierte sich unter der Leitung des schweizerischen Bergführers Karl. Hajo, unsere ehemaliger tolpatschiger Stationsarzt, mauserte sich zu einem knackigen Unfallchirurgen und wurde Expeditionsarzt des Everlasting Rest Team 2010. Nach der Anreise erfolgten zunächst einige Rückschläge.

Everest summit

Die Gruppierung der GAHL terrorisierten einige Teilnehmer, es kam sogar zu mehrfacher Geiselnahme. Aber dieser Ring konnte dank der hiesigen Polizei zerschlagen werden. Bis zuletzt blieb allerdings die Frage offen, ob sich ein Maulwurf im Everlasting Rest Team befand. Tatsächlich schafften es dann 17 Damen und Herren aus unserem und dem aggregierten spanischen Team den Mount Everest zu besteigen. Doch das Drama des Abstiegs wird wohl allen Teilnehmern für immer in Erinnerung bleiben. Ämpee und Thea stürzten beim Speedriding ab. Unser ganzer Dank gilt dem hawaiianischen Team für die Bergung der beiden. Elena und Hajo kamen fast durch Unterkühlung ums Leben. Ohne die beherzte Aktion von Karl und Carlos im eisigen Schneeorkan auf über 8000 Meter Höhe wären sie wohl nur noch in unserer Erinnerung lebendig.

Beim Abstieg mit den Verletzten geriet ich selbst noch in eine Lawine. Ich verdanke Herrn SAG mein Leben. Glücklicherweise konnten alle Kranken wieder vollständig gesund gepflegt werden. Theas Sprunggelenksfraktur wurde erfolgreich im Basislager operiert, Ämpees Arm eingegipst, sämtliche Erfrierungen und Wunden behandelt.

Gestern Abend gab es eine große OP-Party mit Twitter-Charakter im Lounge-Zelt des Basislagers. Neben Yak-Drinks in allen Variationen fand auch noch die Miss und Mister Everest Wahl 2010 statt. Motto: Wer sieht am Besten aus auf dem Gipfel? Wie zu erwarten gewannen Tanja, die zickige, zuletzt etwas fußlahme Studentin mit den High-Heels-Boots und der schneeblinde Schönling Hendrik. Gratulation. Um 24 Uhr räumten die hiesigen Sicherheitskräfte das Zelt aufgrund zu hoher Lärmbelästigung.

Heute war ein echter Ruhetag, die Sonne kam heraus und wärmte uns. Viele Teams brachen in Richtung ABC auf. Es folgt in den nächsten Tagen eine Schönwetterperiode. Ich wünsche allen Teams 2010 einen erfolgreichen Auf- und vor allem Abstieg. Es sind viele …

Ich blicke hinüber zum Gipfel im Abendrot und mir ist ganz wehmütig zumute. Seltsames Gefühl. Der Mount Everest ist das Dach der Welt. Er ist das Ziel aller bergsteigerischen Träume, weil er der höchste Berg ist und bleiben wird. Die letzten Jahrzehnte standen ganz im Zeichen der Kommerzialisierung des Chomolungma. Bergsteiger hoch, runter, alt, jung, fit, unfit, egal. Koste es was es wolle. Fehlt eigentlich nur noch eine Bergbahn. Selbstverständlich sehe ich diese Entwicklung kritisch, aber er reizt halt, weil er da ist …

Das Everlasting Rest Team ist durch Höhen und Tiefen gegangen, dem Tode knapp entronnen. Das schweißt zusammen, das sind Erlebnisse, die für immer in den Köpfen präsent sein werden. Die letzten zwei Monate waren ein Lebensabschnitt, der sich einfach gelohnt hat. Mein besonderer Dank gilt natürlich Hajo Stoertemann, der bis zuletzt hier berichtete. Es ist seine Geschichte. Elena ist die Frau an seiner Seite geworden. Sie haben sich immer wieder gegenseitig angetrieben, möglicherweise sind sie daher noch beide am Leben. Ja sie leben. Es war ein Wunder. Hajo hatte heute nachmittag auf Twitter verkündet, nie mehr zwitschern zu wollen. Das Team löste er dort auf. Er wollte noch ein letztes Mal hier zu Wort kommen:

“Ich bin Hajo, Euer Expeditionsarzt. Eine tolle Expedition geht zu Ende. Wir haben unser Ziel erreicht. Doch ich habe meines verfehlt. Als Mediziner habe ich letztlich versagt. Ich sollte das Team betreuen, aber es kam genau umgekehrt. Ich brauchte Hilfe und war angewiesen auf eine Vielzahl von Menschen. Ohne sie würde ich heute nicht mehr leben. Ich bin aber dennoch nicht traurig. Elena gab mir den notwendigen Halt und dank ihr, konnte ich dies akzeptieren. Es fällt mir nicht leicht. Ich bin froh, dass wir alle leben. Gott sei mein Dank. Es wird schwer für mich sein in meinen Alltag zurückzufinden, aber ich sehe nach vorn. Elena wird mit ihrem Team wieder nach Spanien reisen. Ich gehe nach Hause, sie geht nach Hause. Ich kann noch nicht sagen, was mit uns sein wird. Ob es eine weitere Expedition geben wird? Das kann ich beim besten Willen noch nicht sagen. ich muss erst einmal in mich gehen. Aber wenn ihr mich lange genug pentriert, kann ich wahrscheinlich doch nicht nein sagen. Schau mer mal …”

Mein großer Dank gilt natürlich den Bergsteigern, die das Team so enorm vorangetrieben haben, Federkiel, Hans und im Finale Ämpee und Thea. Aber auch alle anderen Everlasties danke ich für ihre großartige Unterstützung. Ohne Euch wäre einfach gar nichts gegangen und der Everest hätte nie bezwungen werden können. Wir sind ein Team und werden es bleiben.

Es ist dunkel und ich sitze immer noch vor meinem Zelt. Ich höre leise Musik aus dem Lounge-Zelt. Ich friere etwas, muss mir doch eine Jacke anziehen. Morgen werden wir aus dem Basislager abreisen. Die Geländewägen stehen schon bereit. In zwei Wochen werden wir wieder zu Hause eintreffen. Dann hat uns der Alltag wieder. Jeder geht wieder seinem Beruf nach. Hajo wird  in der Notfallambulanz sein, Theas Bein wird heilen, sie wird wieder auf Berge klettern und im nächsten Winter, ganz sicher, wieder Skifahren.

Ich möchte hier noch einmal jedem einzelnen Bergsteiger Raum für seine Gedanken und Gefühle geben. Morgen gibt es hier an dieser Stelle dann “die Rückkehr in die Normalität” und das “Making of … Mount Everest-Medizin Thriller”

Artikel von: Monsterdoc

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