Zwischendurch eine Buchrezension, weil mir das Buch am Herzen liegt, und letztlich hat es auch mit Medizin zu tun. Der Roman von Adam Haslett ist eine heilsame Lektüre, wenn man mit dem Gedanken spielt oder gespielt hat, sich auch ein Stück von der Riesen-Sahnetorte Finanzmarkt abzuschneiden.
Adam Haslett „Union Atlantic“
Das Romandebüt Union Atlantic von Adam Haslett ist im Februar diesen Jahres in deutscher Übersetzung erschienen. Der Roman ist ein in jeder Hinsicht erstaunliches Buch und Haslett ein erstaunlicher Schriftsteller. Für diese Einschätzung gibt es gleich mehrere Gründe:
1. So ein Erstlingswerk hinzulegen, ist schon ein Pfund. Allerdings ist Haslett kein Schreibunerfahrener. In den USA steht seit 2002 eine Sammlung Kurzgeschichten unter dem Titel You are not a stranger here in den Buchhandlungen. Im Juni werden auch in Deutschland Kurzgeschichten von Adam Haslett unter dem Titel Hingabe im Rowohlt-Verlag erscheinen.
2. Der Schriftsteller und Jurist Adam Haslett ist für einen Autor dieser Qualität jung. Als er Union Atlantik begann war er 33 Jahre alt.
3. Einer der Großmeister unter den zeitgenössischen Autoren Amerikas, Jonathan Franzen (Korrekturen, Die 27.Stadt), lobt Adam Haslett in den höchsten Tönen und meint gar, jeder Mensch auf der Welt sollte sein Buch gelesen haben.
Last but not least:
4. Adam Haslett ist ein Visionär. Union Atlantic handelt vom Super-GAU des Finanzmarktes, der in der realen Welt im September 2008 mit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers seinen Lauf nahm. Es war just der Monat, in dem Haslett seinem amerikanischen Verlag das fertige Manuskript von Union Atlantic überreichte. Fünf Jahre hatte er dafür in der Finanzwelt recherchiert und daran geschrieben. Das erstaunliche an dem Buch ist, es steht alles drin: Wie es gekommen ist. Und: Warum es so gekommen ist. Nur, dass es bei Haslett alles bereits im Jahr 2002 spielt, nicht in den Jahren 2008, 2009 und wie wir sehen – immer so weiter.
Heuschrecken ist ein zu milder Ausdruck
In dem Roman werden dem Leser die irrwitzigen Mechanismen des Finanzmarktes in Form einer Geschichte erzählt. Im Laufe des Buches lernt man etwa ein halbes Dutzend Personen kennen. Nur einer Person allerdings kommt man dabei etwas näher. Nur diese eine Person zeigt Tiefgang, vermittelt einem das Gefühl, dass sie eine Lebensphilosophie und ein Herz besitzt. Die anderen Figuren bleiben eher nüchtern. Das ist kein Manko des Romans, das ist Methode. Denn genau diese Person, bei der man etwas Wärme verspürt, wenn man von ihr liest, schert sich nicht ums Geld, wirkt deswegen für andere schrullig und lebt quasi isoliert von der Außenwelt.
Die anderen Personen jonglieren mehr oder weniger (meist mehr) skrupellos mit imaginärem Geld – sie sind Zocker. Was dabei alles gut geht und okay ist, lässt einem die Haare zu Berge steigen. Wie da mit Millionen und Milliarden herumgeworfen wird, hätte man vor der Finanzkrise kaum glauben mögen. Jetzt kennen wir solche Zahlen zur Genüge, von Banken, Managern, europäischen Staaten und der eigenen Regierung aus Zeitung und Fernsehen. Aber es geht eben nicht immer gut und ein Ende ist nicht absehbar.
Mit Jonathan Franzen möchte ich aufrufen: Lesen Sie dieses Buch!
Und: Lassen Sie sich nicht vom Geld verführen!
Es bleibt nach der Lektüre von Union Atlantic dabei: Geld an sich ist kein Wert, und (soviel zum Arzt in mir) es ist in jeder Hinsicht ein Krankheitserreger.
(Geschrieben für die Buchhandlung Paff und www.leseberater.de.)