Montag Abend, neunzehn Uhr dreißig, Pfleger Marvin hat mich in die Ambulanz hinuntergepiepst.
„Was haben wir?“
„Schau selbst. Aber tu uns einen Gefallen: sorg bitte dafür, dass der Kerl möglichst bald wieder verschwindet!“
Der Kerl ist vielleicht Mitte dreißig und sturzbesoffen.
„Herr Doktor, ich brauche Diazepam!“ lallt er.
Ach nööö!
Nicht schon wieder so einer! Ich gebe mir Mühe, mich zu beherrschen.
„Warum denn?“ frage ich.
„Wegen meiner Angst! Ich habe doch immer so Angststörungen!“
„Aha?“
„Ja, und mein Hausarzt verschreibt mir da immer Diazepam…“
Wer’s glaubt, wird selig.
„Und?“
„…aber der ist gerade in Urlaub!“
Ein kurzer Kontrollanruf bei der genannten Praxis ergibt, dass der Herr Doktor tatsächlich in Urlaub ist.
„Und sein Vertreter?“
Mein Patient nuschelt etwas Unverständliches. Fünf Minuten lang höre ich mir seine Ausreden an. Dann atme ich einmal tief durch.
„Tut mir leid, ich kann Ihnen kein Diazepam geben!“
„Können Sie wirklich nicht?“
„Jedenfalls werde ich es Ihnen nicht geben!“
Er bleibt ganz ruhig sitzen. Macht keinerlei Anstalten, aufzustehen. Denkt gar nicht daran. Schaut mich mit großen Augen an.
„Was bieten Sie mir stattdessen an?“ fragt er.
Und jetzt muss ich noch einmal ganz tief durchatmen und bis zehn zählen…