Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich mich über den Publizistik-Preis der Stiftung Gesundheit ausgesprochen gefreut habe. Seit die Einreichungsfrist verstrichen war, habe ich mehrfach täglich vor mich hingemurmelt, dass ich diesen Preis wirklich besonders gerne bekäme. Das hängt zum einen damit zusammen, dass so ein Preis den Narzissmus, unter dem ja viele Journalisten ein wenig leiden, prächtig bedient. Außerdem hängt es damit zusammen, dass man ja gerade im Bereich der Gesundheitspolitik als Journalist nicht laufend nur Zustimmung und Lob für seine Arbeit erhält.
Ein kleines Beispiel: Als ich vergangenes Jahr in einer Ratgeber-Sendung des Bayerischen Rundfunks ganz arglos erwähnte, dass Patienten sich in Hausarztverträge nicht einschreiben müssen, sondern dass es ihre freie Entscheidung ist, erhielt eine ganze Reihe ziemlich deutlicher E-Mails von Hausärzten. Eine davon enthielt folgendes: „Nutzen Sie Ihre journalistische Freiheit, aber wundern Sie sich nicht über Gegnerschaft, die Sie sich reichlich geschaffen haben. Jeder wird die Mittel nutzen, die ihm zur Verfügung stehen.” Da fragt man sich ja schon, was das für Mittel sind, die ein Arzt nutzen kann. Skalpell? Akupunkturnadel?
Und als ich etwa zur gleichen Zeit Statistiken wiedergab, aus denen hervorgeht, dass bayerische Ärzte im Schnitt um ein Zehntel besser verdienen als der Durchschnitt aller bundesdeutschen Ärzte, fand ich unter anderem eine Zuschrift eines Orthopäden in meinem E-Mail-Kasten, die folgende Passage enthielt: „Kennen Sie den: Was ist das? Hundert Rechtsanwälte mit einem Betonklotz am Bein auf dem Grunde des East River? Antwort: Ein guter Anfang. Ähnliches gilt für das Gros der Journalisten, ob Papier oder Rundfunk.” Das war natürlich nicht als Todesdrohung oder auch Herbeiwünschen meines baldigen Ablebens gemeint, sondern entsprach der etwas aufgeheizten Atmosphäre, die bei gesundheitspolitischen Debatten immer mal wieder hochkocht.
Zu diesen Debatten gehört es leider, dass etliche Diskutanten der Ansicht sind, es gebe nur schwarz und weiß, sprich: Entweder man ist für eine Seite oder gegen sie. Dass man grundsätzlich eine gute Versorgung der Bevölkerung durch niedergelassene Haus- und Fachärzte befürwortet, gleichzeitig aber nicht jede Argumentation der jeweiligen Verbände unterstützen mag – das ist nicht jedem Diskutanten immer eingängig. Nicht einmal dann, wenn man ihm erläutert, dass man sich ja gar nicht gleichzeitig auf die Seite der Haus- wie auch der Fachärzte stellen kann. Dazu sind deren Interessen einfach zu unterschiedlich und deren Verbände zu sehr miteinander in Konkurrenz. Die Erkenntnis, dass es im Gesundheitswesen kein schwarz und weiß, sondern sehr viel Grau in sehr vielen Schattierungen gibt, diese Erkenntnis wird nicht sonderlich gerne gehört.
Nun ja, damit muss man als Journalist natürlich leben können. Und bislang habe ich noch keinen überzeugenden Grund gefunden, warum ich von dem abweichen sollte, was ich mir seit rund 14 Jahren immer wieder vornehme: Meinen eigenen kleinen Beitrag dazu leisten, dass der öffentliche Diskurs über gesundheitspolitische Themen mit ein bisschen Rationalität geführt wird. Denn Rationalität ist manchmal arg rar in diesem Diskurs.
In diesem Sinne bestärkt mich der Preis darin, dass es sich vielleicht doch lohnt, genau in dieser Richtung weiterzumachen: Sich zu bemühen, etwas Rationalität in die Berichterstattung übers Gesundheitswesen zu bringen.