Anrede,
mit Erstaunen und größtem Befremden muss ich Informationen aus seriösen und deshalb zuverlässigen Kreisen zur Kenntnis nehmen, dass Bundesgesundheitsminister Dr. Rösler und der ihm beigeordnete Parlamentarische Staatssekretär Daniel Bahr die verpflichtende Online-Stammdatenaktualisierung und damit den ebenso verpflichtenden Einstieg in das Projekt elektronische Gesundheitskarte in allernächster Zukunft in Kraft setzen wollen.
Hier wird ein Glaubwürdigkeitsverlust produziert, wie er wohl nur im Biotop einer als solchen immer mal wieder apostrophierten „Umfaller-Partei“ entstehen kann. Es sollte Ihnen noch präsent sein, dass gerade Ihre Partei während eines engagierten Bundestagswahlkampfes, den die deutsche Ärzteschaft durch einen ebenso engagierten „Wahlkampf für das Gesundheitswesen“ durchaus positiv begleitet hat, immer wieder klar Position gegen die elektronische Gesundheitskarte bezogen hat. Entsprechende Passagen sind dann auch – auf Betreiben der FDP – im Koalitionsvertrag formuliert.
Der 113. Deutsche Ärztetag in Dresden, das Parlament der deutschen Ärzteschaft, hat vor wenigen Wochen die Bundesregierung in einem eindrucksvollen Votum aufgefordert, „das verfehlte Projekt der elektronischen Gesundheitskarte in der weiter verfolgten Zielsetzung endgültig aufzugeben.“ Auch die „Verwandlung der Arztpraxen in Außenstellen der Krankenkassen durch die Verlagerung des Versichertendatenmanagements in die Praxen“ wurde eindeutig abgelehnt.
Dass ausgerechnet Ihre Partei, die das Bundesgesundheitsministerium an der Spitze mit einem ärztlichen Kollegen besetzt hat, diesen Beschluss des Ärztetages erkennbar und in Form einer nicht nachvollziehbaren Missachtung ignoriert, wird die deutsche Ärzteschaft nicht nur zum Nachdenken bringen – Reaktionen werden unausweichlich sein.
Denn hier offenbart sich eine Arroganz der Macht, deren Perfidie sich den deutschen Ärztinnen und Ärzten und ihren Patienten voll umfänglich erschließt und in der gegenwärtig für die Regierungsparteien ohnehin desolaten Stimmungslage eine Partei-Existenz bedrohende Politikverdrossenheit zusätzlich befeuert.
Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 haben die Bundeskanzlerin und die damalige Gesundheitsministerin im Schatten des so genannten „Sommermärchens“ weitgehend unbemerkt den damals wie heute nicht akzeptierten Gesundheitsfonds auf den Weg gebracht. Seien Sie versichert, dass die diesjährige Weltmeisterschaft Ihnen keine vergleichbaren Möglichkeit des „heimlich, still und leise“ bieten wird. Nehmen Sie nachdrücklich und endgültig Abstand von der elektronischen Gesundheitskarte, die die Würde von Arzt und Patient nachhaltig verletzt und das einzigartige Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt für alle Zeiten zerstören würde. Dazu ist der unverzügliche Stopp aller Bestrebungen zur verpflichtenden Online-Stammdatenaktualisierung in den Arztpraxen der unverzichtbare erste Schritt.
Sollten Sie sich dazu außerstande sehen, werden umgehend bei täglich mehreren Millionen Arzt-Patienten-Kontakten bundesweite Protestaktionen organisiert werden.
Mit den besten Grüßen
Martin Grauduszus