In der Pädiatrie ist es selbstverständlich: Die Angehörigen, sprich die Eltern, werden in die Diagnostik und Behandlung der kleinen Patienten einbezogen, soweit es nur irgendwie möglich ist. Egal ob MRT, Gastroskopie, oder nichtsterile OP, die Eltern dürfen ihrem Nachwuchs selbstverständlich beistehen. Sogar Übernachtungen im Krankhaus werden den Eltern in manchen Kliniken bei Bedarf ermöglicht.
Doch ganz anders sieht es aus, wenn ein Erwachsener (zum Teil berechtigte) Angst vor medizinischen Untersuchungen und Eingriffen hat, hier ist etwas ganz anderes selbstverständlich. Hier heißt es, selbst für sehr enge Angehörige: „Wir müssen leider draußen bleiben.“
Wo in der Pädiatrie Eltern zum Händchenhalten und Trostspenden gerne einbezogen werden, gilt für Erwachsene, dass Geschwister, Lebensgefährten, Töchter, Söhne oder auch Eltern nicht erwünscht sind. Es werden angebliche Bedürfnisse von Mitpatienten (die zum Teil noch nicht einmal anwesend sind) oder gar hygienische Gründe vorgeschoben. Ist denn ein frisch geduschter Ehemann ein größeres Infektionsrisiko für den Patienten als eine Gastroskopie-Schwester, die ohne Handschuhe schon bei unzähligen Patienten an diesem Tag einen venösen Zugang gelegt hat? Nur nebenbei bemerkt: Dass ein großer Teil von Krankenhaus- und Praxispersonal noch immer Blut ohne Handschuhe abnimmt, ist eigentlich ein Unding.
Es ist schon sehr auffällig, dass die erwähnten Hygiene-Befürchtungen niemals von Ärztinnen und Ärzten geäußert werden, dabei kennen die sich doch mit Mikrobio und Hygiene aufgrund ihres Studiums viel besser aus.
Mal von hygienischen und Mitpatientenstörgründen abgesehen: Angehörige können auch bei erwachsenen Patienten durchaus hilfreich sein. So müsste sich jeder Mediziner doch eigentlich freuen, wenn die Tochter eines 85-jährigen Demenz-Patienten bei der Visite im Krankenzimmer anwesend ist, schließlich kann sie in vielen Fällen Angaben machen, die dem Patienten selbst nicht mehr erinnerlich sind. Stattdessen gibt es tatsächlich Kliniken, in denen die Angehörigen bei der Visite aus dem Zimmer geschickt und anschließend auf die einmal wöchentlich für zwei Stunden stattfindende Angehörigen-Sprechstunde vertröstet werden.
Ich frage mich immer wieder, warum für erwachsene Patienten nicht dieselben Rechte gelten wie für Kinder. Auch Erwachsene haben empfindsame Seelen und können psychisch traumatisiert werden.
By the way: Wenn Besucher für im selben Zimmer liegende Mitpatienten eine so große Belastung sind: Gehören dann solche Mehrfachzimmer nicht abgeschafft? Schließlich stört doch eigentlich auch der Mitpatient selbst – egal ob Schnarcher, unstillbares Erbrechen, Dia- oder Logorrhö: Es ist schwierig, dies zu ertragen, gerade wenn man unter gesundheitlichen Problemen leidet, was ja meist der Fall ist, wenn man im Krankenhaus liegt. Was für Privatpatienten möglich ist, sollte doch auch bei Kassenpatienten im Bereich des Durchführbaren liegen.
Aber das ist bereits Stoff für einen weiteren Teil dieser Reihe.
Bleibt gesund!
Melanie