Reform der Reform oder zum Lesen verdammt

Spannende Lektüre
In 15 min beginnt der Fußballklassiker Brasilien – Nordkorea. Alle Welt blickt gebannt auf dieses offene Duell mit unklarem Ausgang. Und was mache ich?

Ich zieh mir ähnlich Spannendes rein: zwei Broschüren der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, die auf insgesamt 60 Seiten erläutern, wie sich wieder einmal unsere „Honorarermittlung“ zum 01.07.2010 ändern wird. Nur 18 Monate nach Einführung des Gesundheitsfonds ist dies nun schon die 2. Änderung dieser Reform, was wieder mal beweist, wie toll der Wurf von Ulla&Co. damals war.

Ausdehnung der Budgetierung
Jegliche Hoffnung auf Besserung wird einem schon in der Einleitung genommen. Da heißt es:“… Weiterhin ist ein Großteil der erbrachten Leistungen einer Obergrenze unterworfen und wenn diese überschritten wird, sinkt die Vergütung für die Überschreitung ab. Die Berechnung dieser Obergrenze wurde modifiziert und nun unterliegen noch mehr ärztliche Leistungen dieser Obergrenze…“

Im Klartext: die Budgetierung, die ja viele Politiker versprochen hatten zu lockern, wird ausgeweitet. Bisher erbrachte ich ca. 20% meiner Leistungen quasi umsonst, denn „sinkt die Vergütung ab“ heisst nix anderes, als dass diese um ca. 90% gekappt wird! Anstatt 50 Euro pro Quartal und Patient also 5 Euro.

Auch der Notdienst wird geopfert
Bisher war es wenigstens so, dass Leistungen im ärztlichen Bereitschaftsdienst, also im Notdienst nachts und am Wochenende, nicht budgetiert waren und mit einem festen Punktwert bezahlt wurden, nämlich mit 5,11Cent pro Punkt. Dieser Punktwert wurde zum 01.01.09 willkürlich auf 3,5 Cent reduziert (also um schlappe 30%!!!). Von einem Tag auf den anderen war der Hausbesuch nachts um 30% weniger wert.

Und nun kommt es noch dicker:
Leistungen im Notdienst „können nur dann im vollen Umfang mit 3,5 Cent vergütet werden, wenn die Menge der erbrachten Leistungen jeweils gegenüber dem entsprechenden Quartal des Jahres 2008 nicht zugenommen hat. Ansonsten kann nur eine abgestaffelte Vergütung bezahlt werden.“ (Zitat Ende)

Alles Risiko beim Kassenknecht
Für Euch Laien im Klartext: wenn im Herbst 2010 eine Grippeepidemie hereinbricht und die Notdienstärzte nachts 15 Mal aus dem Bett geholt werden, um Erkrankte zu versorgen, dann bekommen sie dafür maximal das Geld, was sie im selben Zeitraum 2008 erhalten hatten, als man nachts – bei fehlender Grippeepidemie – höchstens 2 Mal raus musste!

Ist das nicht ein geniales Modell der Krankenkassen? Die wälzen so gut wie das gesamte Krankheitsrisiko der Bevölkerung auf den Arzt ab. Pech gehabt, wenn die Seuche oder eine Katastrophe kommt. Der Topf bleibt gleich. Und wenn in einem Jahr mal weniger los ist als 2008, dann bekommt der Arzt-Depp eben maximal die 3,5 Cent (und nicht die 5,11 wie noch 2008).

Oder habt Ihr schon mal bei Eurer Autowerkstätte versucht, zu erreichen, dass diese nur soviel Geld von Euch pro Jahr an Reparaturen bekommt wie 2008 – 30%, egal wie oft Eure Karre nicht mehr anspringt oder verbeult wird?

Wer so mit seinen Ärzten umgeht, muss sich nicht wundern, wenn sie scharenweise das Land verlassen.

Aber jetzt muss ich weiterlesen…

 

Filed under: Kranke Gesundheitspolitik Tagged: Arzt, Arzthonorar, Budgetierung, Gesundheitsfonds, Gesundheitspolitik, Gesundheitsreform, Kassenärztliche Vereinigung

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