Atze ist so um die Mitte dreißig und hat eine große Leidenschaft: das Heroin.
Und weil das ein ziemlich teures Hobby ist, betreibt er nebenbei einen kleinen Gemischtwarenhandel. Früher mal war er auch im Import-Export-business tätig, aber davon ist er längst weg.
„Die Gewinnmargen sind gering, das betriebswirtschaftliche Risiko zu hoch!“ sagt er. Das sind allerdings nicht ganz seine Worte. Er drückt sich da natürlich etwas anders aus.
Atze und ich, wir respektieren uns. Oder sagen wir mal besser: Wir haben eine Art Stillhalteabkommen geschlossen. Er verzichtet inzwischen auf die Überfallstrategie (z.B. Auftauchen nachts unter Vorspiegelung starker opiatpflichtiger Schmerzzustände) und hat auch sonst versprochen, sich zu benehmen. Das war, nachdem Schwester Paula ihn an den Ohren aus dem Stations-Dienstzimmer gezogen hat, wo er zu frühmorgendlicher Stunde (es herrschte gerade das übliche Frühstücksausteilechaos) seinen Kopf etwas zu tief in den Medikamentenschrank gesteckt hatte.
Aber sowas macht er jetzt nicht mehr. Und zum Dank dafür schmeißen wir ihn nicht immer gleich sofort wieder hochkant raus.
Atze führt seine Geschäfte gelegentlich auch vom Krankenbett aus. Das theortisch immer noch geltende Handyverbot wird von uns schon längst nicht mehr durchgesetzt. Das Rauchverbot hingegen schon, zumindest von mir, aber Atze umgeht das indem er geschickt mit dem nikotinabhängigen Teil des weiblichen Pflegekörpers flirtet und sich bei deren Rauchpausen einfach mit dazu auf den Balkon stellt. Aber wir kommen vom Thema ab.
Atze sitzt also aufrecht auf seinem Bett und telefoniert. Mein visitliches Erscheinen quittiert er mit einer kurzen grüßend gemeinten Handbewegung.
Dann legt er das Handy weg.
„Sag mal Doc,“ spricht er und reicht mir einen kleinen Notizzettel, „kennste das?“
Atze duzt übrigens unterschiedlos jeden, sogar den Chef.
Ich lese den Zettel. Da stehen ein paar Medikamentennamen drauf.
„Hat ‘n Kumpel von mir organisiert!“ fährt Atze fort. Ich frage ihn lieber nicht, wie das mit dem Organisieren zu verstehen ist.
„Aha?“
„Und?“
„Was und?“
„Ja, knallt das Zeug?“
Ich muss innerlich grinsen. Da hätte ich Atze doch etwas mehr Sachverstand zugetraut. Auf dem Schriftstück stehen ausschließlich harmlose Vitaminpräparate und – man höre und staune – Pentoxyphyllin-Infusionslösung. Das Zeug gibt man zur Durchblutungsförderung nach einem Hörsturz, allerdings ist die Wirksamkeit eher umstritten. Und eine wie auch immer geartete andere Wirkung ist mir nicht bekannt.
Aber das braucht Atze ja nicht unbedingt zu wissen.