In meiner Tübinger Praxis für Coaching und Psychotherapie arbeite ich viel mit der Heilkraft des Wortes für Selbstcoaching und Selbsttherapie. Einer meiner Schwerpunkte ist dabei die Arbeit mit Gedichten. Welche Gedichte lesen wir wenn wir traurig und ausgebrannt sind, erschöpft, gestresst und abgehetzt? Und welche sind gut für Power, Mut, Schwung, Begeisterung, Charisma, Leidenschaft und inneres Feuer? Es geht darum, sich eine kleine Poesie-Apotheke zu schaffen. Hier eine kleine Auswahl zur eigenen Anregung:
Bei Hetze, Stress, Burnout, Erschöpfung, dem Gefühl total fremdgesteuert zu sein und das eigene Tempo nicht einhalten und die Dinge nicht in Ruhe reifen lassen zu können:
Apfel für M.R.-R.
Höchste zeit kommt
von innen
Höchste zeit ist, wenn
die Kerne schön
schwarz sind
Und das weiß zuerst
der baum
Reiner Kunze
Zur Anregung für Stille, Meditation, Besinnung auf sich selbst:
Vor jedem steht ein Bild
des, was er werden soll.
Solang er das nicht ist,
ist nicht sein Friede voll.
Friedrich Rückert
Für ein erfülltes Leben im Hier und Jetzt, Lebenswerk und Berufung:
Das Wichtigste
…
Die wichtigste Stunde
ist immer die Gegenwart,
der bedeutenste Mensch der,
der dir gerade gegenübersteht,
und das notwendigste Werk
ist stets die Liebe.
Meister Eckehart
Bei manchen meiner Klienten sind es auch nur Zeilen aus einem Gedicht, die sich bei ihnen festsetzen und sie begleiten wie z.B. aus dem Lied vom Freundlichsein von Bertold Brecht “Ein gutes Wort entschlüpft wie ein wohliger Seufzer”.
Gedichte geben uns zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Gefühlslage Kraft, Trost, Inspiration, geistig-seelische Nahrung und Lebensenergie. Das gilt nicht nur für fremde Gedichte, sondern auch für eigene. Viele meiner Klienten schreiben sich bei Depressionen, Sucht, Liebeskummer, Mobbing, Burnout, psychosomatischen Beschwerden, Ängsten…buchstäblich die Seele frei mit eigenen Gedichten.
Und auch ich selbst schreibe gerne Gedichte, wenn ich traurig bin. Die Emotion wird benannt, der Zustand erhält eine Beschreibung, und durch das Schreiben und anschliessende Lesen erhalte ich die gewünschte Distanz. Lösungen ergeben sich danach viel leichter, weil sich etwas in mir gelöst hat und ich mich dadurch erlöster fühle. So habe ich zum Beispiel im Frühling 2002 folgendes Gedicht geschrieben:
Purpurner Frühling
Purpurner Frühling
tanz mit mir
wo bist Du
warum verbirgst
Du Dich hinter Wolken
vor lichtem Himmel
Heiterkeit
ist Dein Brot
und Muße Dein Gesang
ich will Dich fühlen
purpurner Frühling
dich schmecken
auf meinem Schmerz
der nicht mehr
sein will
was er war
ein Beet über
Heckenrosen
Von der Heilquelle Gedicht profitieren können wir allerdings in jedem Gefühlszustand. Das nächste Gedicht habe ich in heiterer Stimmungslage geschrieben. Und so wie ich es geformt habe, hat es auch mich geformt.
Grüner Bruder Baum
Grüner Bruder Baum
wie ruhig
Du in Dir stehst
wie wenn Du
eine goldene Wirbelsäule hättest
Deine Wurzeln
ehren die Erde
unter Dir
Deine Krone
dient dem Himmel
über Dir
Deine Äste tragen
wie echte Liebe
und deine Zweige
reden mit dem Wind
Und welche fremden oder eigenen Gedichte inspirieren Sie? Welche Lyrik setzen Sie bewusst für Selbstcoaching oder Selbsttherapie ein?