„Wo ist hier der Verletzte?“
Etwas atemlos betrete ich den Waggon Nr. 23. Stickige Hitze schlägt mir entgeen, dazu eine Wolke aus dem säuerlichen Aroma von Erbrochnem.
„Sind Sie der Doktor?“ fragt ein Uniformträger. Natürlich weiß ich, dass es sich nicht um einen Schaffner sondern um einen Zugbegleiter handelt oder vielleicht sogar um den Zugchef persönlich.
„Ja, ich bin Arzt,“ sage ich, nenne meinen Namen und versuche, einen Blick auf den Endsiebziger zu erlangen, der da der Länge nach im Gang liegt, den Kopf auf ein Kleidungsstück gebettet, um ihn herum eine Lache aus… okay, lassen wir das.
„Geht schon!“ sagt er und will sich aufsetzen, „machen Sie sich nur keine Umstände!“
„Sie sind also einverstanden, dass dieser Herr die Reise fortsetzen kann?“ fragt Mr. Uniform.
Momentmal!
„Was ist denn passiert?“
„Er hatte einen Krampfanfall,“ erzählt ein anderer Passagier, „ist plötzlich bewußtlos geworden und zusammengeklappt und dann hat er erbrochen.“
Okeeh.
„Was ist Ihre Diagnose, Herr Doktor?“
„Geht doch schon wieder besser. Ist gar nicht mehr so schlimm.“
Mein Patient zwingt sich ein Lächeln ab, steht auf und setzt sich auf den kontaminierten Sitz.
„Wir brauchen jetzt eine Entscheidung ob wir anhalten sollen oder…“
Ich erinnere mich an das gastronomische Angebot aus dem Speisewagen, ähem, Bordbistro.
„Könnten Sie dem Herrn vielleicht ein Glas Wasser besorgen?“
Der Uniformträger wetzt los und kommt erstaunlich rasch mit einem Glas Sprudelwasser zurück.
Der ältere Herr lächelt dankbar.
„Und geht’s?“
„alles halb so wild!“
„Sie übernehmen also die Verantwortung, dass keine gesundheitliche Gefährdung besteht und…“
Ich drehe mich um.
„Ich bin noch nicht sicher, aber…“
„Ich lasse den Zug im nächsten Bahnhof anhalten und rufe einen Krankenwagen!“
Die Geschichte wird ja noch richtig spannend!