„Wir leben nicht, um zu essen; wir essen, um zu leben.“
Sokrates (um 470 – 399 v.Chr.), griechischer Philosoph
Wie Fahrgäste im Fernverkehr der Bahn mit Verspätungen und Zugausfällen sofort ein gemeinsames Gesprächsthema finden, so geht es Patienten im Krankenhaus mit der dortigen Ernährung. Bei Bildern wie dem oben gezeigten ist das kein Wunder. Da vergeht auch ohne medizinische Indikation hinsichtlich des Magens schnell der Appetit.
In seinem Artikel The Healing Potential of Hospital Food schreibt Steven Gelber: „…it seems that hospital meals, which will remain a thrice-daily component of hospital life whether they taste good or not, are a reasonable place to begin reform without turning the hospital infrastructure upside down.“
Das Essen macht in etwa 2 Prozent des Gesamtbudgets eines Krankenhauses aus. Versuche, hier die Kosten zu reduzieren scheitern jedoch fast immer. Um nur ein Beispiel zu nennen – es spricht nicht für die kulinarische Versorgung in der Charité, wenn ein Patient darüber sagt:
„In Anbetracht der Tatsache, dass ich nicht gezwungen werde, das zu essen, werde ich es nicht essen.“
In der Berliner Klinik werden täglich 900 Mittagessen zubereitet. Es gibt einen einheitlichen Speiseplan für alle à 3,70 Euro pro Patient.
Krankenhäuser haben zum Ziel, die Gesundheit ihrer Patienten wiederherzustellen. Gutes Essen sollte dabei eine Selbstverständlichkeit sein. Dass das nicht so ist, hört man nicht nur bei den Gesprächen zwischen Patienten, auch Untersuchungen belegen es:
Unerfüllte Erwartungen gehen über die häufig schlicht lieblose Anrichtung hinaus. Nicht nur das Auge isst mit. Oft ist die Mahlzeit zu warm oder zu kalt, sind die Portionen zu groß oder zu klein. Meist wird das Essen außerdem zu einer für den Patienten ungewohnten Essenszeit gebracht. Darüber hinaus fehlt die Abwechslung, allzu oft gibt es gar keine Wahlmöglichkeiten. Fehlende Snacks, zu wenig Getränke und vor allem kaum angebotenes Obst, Gemüse oder Salat komplettieren das Problemfeld.
Aber es gibt durchaus auch positive Beispiele. Im Alice-Hospital in Darmstadt etwa steht Slow-Food auf der Speisekarte. Die Produkte kommen aus der Region, das Essen wird frisch und schonend zubereitet. Pro Patient und Tag werden dafür 5,20 Euro ausgegeben, etwa 10 Prozent mehr als ohne Slow-Food. Doch der Aufwand lohnt sich und ist sicherlich nachahmenswert.
Insgesamt sollte sich das Nahrungsangebot nach den Bedürfnissen und Wünschen des Patienten richten. Krankenhausleiter, Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger sowie Diätetiker sollten zusammen arbeiten, um ein frisches, angemessenes, nahrhaftes und vor allem auch gesundes Nahrungsangebot zu erstellen. Es wird Zeit, dass auch in Deutschland das Krankenhausessen als Teil der Behandlung gesehen wird, und damit auch zu einer ärztlichen Aufgabe wird. Tatsächlich sind bis zu 40 Prozent der stationär aufgenommenen Patienten mangelhaft ernährt. Wie der österreichische Standard berichtet, kann
„Gesunde Ernährung im Krankenhaus […] das Wohlbefinden der Patienten während des stationären Aufenthaltes steigern, den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und den Genesungsprozess beschleunigen.“
Untersuchungen zeigen, dass Patienten das Krankenhaus bis zu zwei Tage früher verlassen können, wenn sie gutes Essen bekommen. Bei bereits bestehender Mangelernährung, zu wenig Essen oder Nahrungsverweigerung erhöht sich die Liegedauer im Schnitt um 6 Tage. Darüber hinaus erhöht sich die Sterblichkeitsrate, je weniger Essen verzehrt wird. Die Ergebnisse des Projektes „NutritionDay in European Hospitals“ von 2006 zeigen beispielsweise:
„Gegenüber Patienten mit ausreichender Nahrungsaufnahme (Mortalität 1,3 %) erhöht sich die Mortatlität drastisch: bei halber Nahrungsaufnahme steigt die Mortalität auf 2,4 %, bei jenen, die weniger als ein Viertel des Nahrungsangebots bzw. gar nichts essen auf 5,5 bzw. 5,7%.“
Wer also am Essen spart, die Ernährung seiner Patienten nicht an deren Anforderungen ausrichtet und auch die tatsächliche Nahrungsaufnahme nicht beobachtet, spart offensichtlich am falschen Ende.
Quellen und weitere Informationen:
Ein besonderer Dank geht an Martin Schleicher , auf dessen Anregung hin wir uns entschieden haben, zum Thema Krankenhausessen zu bloggen.
Adam, Pamela. (26. April 2005). Hospital Food. Wikimedia.
Alsheimer, Caroline. (12. Mai 2010). Schlechte Qualität. Krankenhaus-Essen – gar nicht mal so gut! hr online.
Der Standard. (20. August 2009). Stationärer Aufenthalt: Richtige Ernährung im Krankenhaus.
Gelber, Steven. (19. Juli 2005). The Healing Potential of Hospital Food. Medscape Today.
Lübke, H. (2009). Aspekte der Nahrungsversorgung im Krankenhaus. Was wünschen wir uns? Anforderungen des Arztes an das Krankenhausessen. HELIOS Klinikum E.v.Behring Berlin-Zehlendorf.
Medizinauskunft. (19. Januar 2006). Krankenhäuser: Werden Patienten ungenügend ernährt?
Nutrition Day. (2007). Intitiative „NutritionDay in European Hospitals“ erhebt am 25. Januar in 31 Ländern neuerlich Daten über die Ernährungssituation in Krankenstationen.