Tag drei bei den Positiven Begegnungen. Der Kongress mit all den vielen Eindrücken und Begegnungen hat mich gefangen. Mein Tag hier beginnt um 08:30 und endet gegen 21.00 Uhr. Was außerhalb des Veranstaltungsortes passiert, erscheint vollkommen nebensächlich, auch welcher Wochentag ist, ist nicht relevant. Dafür ist es hier viel zu interessant. Es ist ein eigener kleiner Kosmos.
Es sind nicht nur die Veranstaltungen, es sind auch viele Begegnungen und Geschichten am Rande. In einem Workshop erzählt ein 21jähriger junger Mann, dass er vor genau einem Jahr sein HIV-positives Testergebnis bekommen hat. Er erzählt weiter, dass seine Eltern hinter ihm stehen, dass er mit seinen Freunden darüber reden kann und dass er sich auch auf seiner Arbeitsstelle geoutet hat. Im abendlichen Plenum berichtet ein 15jähriger Schüler, der von Geburt an positiv ist von seinen Karriereplänen. Ich bin fasziniert von so viel Selbstbewusstsein. Diese Geschichten sind sicherlich nicht die Regel, aber es gibt sie – und sie machen Mut.
Einen vollkommen anderen Aspekt von HIV gibt es im Workshop „Das Leben mit einer HIV-Infektion hinter Gittern“. HIV-positive Häftlinge aus der Bielefelder Justizvollzugsanstalt erzählen von ihrem Leben in Haft. Es sind Geschichten, die sehr wohl von Diskriminierung durch Mitgefangene erzählen und von einem wenig sensiblen Umgang mit dem Thema HIV durch die Vollzugsbeamten. Auch das ist nach wie vor Lebensrealität von HIV-Positiven in Deutschland.
Während man das eine tut, verpasst man das andere. Workshops und Diskussionen gab es heute auch noch zu vielen anderen Themen: Es ging z. B. um Partnerschaften zwischen HIV-positiven und HIV-negativen Partnern, um das Thema „Gesundheitspolitik ein Jahr nach der Wahl“, und um die öffentlichen Bilder vom Leben mit HIV.
Nach so viel Kongress braucht es Zerstreuung. Zum inoffiziellen „place to be“ am Abend hat sich Mutti´s Bierstube entwickelt, Bielefelds einzige schwule Kneipe. Der Name ist etwas irreführend, habe ich dort doch besagte Mutti nie gesehen, nachdem aber der halbe Kongress anwesend ist fühlt man sich trotzdem ein bisschen wie zuhause.