Im Ultraschallraum
Was Herr M. bis zu diesem Zeitpunkt zu wenig an Zuwendung widerfahren ist, wird im Ultraschallraum übertrieben. Die Untersuchung läuft dreimal ab, in unterschiedlicher Intensität, leider auch mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Befund Nr. 1 – Nierenstein rechts
Befund Nr. 2 – keine Steine zu erkennen
Befund Nr. 3 – Harnleiterstein links
Wir befinden uns in einer fachurologischen Abteilung und glauben Sie nicht schon wieder, ich übertreibe.
Es fügt sich, dass der dritte Untersucher jemand ist, der das Problem erkennt, der die richtige Seite trifft und der als erster Arzt überhaupt, Herrn M. begrüßt und sich mit Namen vorstellt. Die Unhöflichkeiten vorher gingen durch alle Nationalitäten. Es ist im übrigen nicht nur eine Unhöflichkeit, wenn man als Arzt nicht grüßt und sich nicht vorstellt. Es ist die verspielte Einstieg in ein Vertrauensverhältnis. Der alte Spruch stimmt in diesem Fall uneingeschränkt: Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck.
Die Therapie
Um die kommenden Tage etwas zusammenzufassen, sei an dieser Stelle gesagt, dass dem Stein schließlich mit der Schlinge zu Leibe gerückt werden musste. Kein Medikament, alles Urinsieben hat nichts genützt, der Stein wollte sich nicht lösen.
Als Herr M. den Eingriff überstanden hat, kommt am nächsten Tag ein dem Patienten bis dahin völlig unbekannter Arzt ans Bett (ohne Gruß, ohne Namensnennung) und sagt, dass der Patient nun seinen Nierenstein auf der rechten Seite los sei. Er könne erstmal nach Hause. Die linke Seite käme später dran.
Die Antwort des Patienten, dass er seine Beschwerden aber auf der linken Seite habe, nicht auf der rechten, wird nicht sehr positiv aufgenommen. Von der rechten Seite sei nie die Rede gewesen, allenfalls einmal versehentlich im Ultraschallraum. Das Fazit des Patienten, auf der rechten Seite habe er überhaupt keinen Nierenstein, stößt ebenfalls nicht nicht auf Sympathie.
Der Urologe übergeht den Einwand und antwortet knapp. Der Eingriff auf der linken Seite sei nach einer Phase der antibiotischen Therapie für zwei Wochen später geplant. Bevor der beleidigte Arzt verschwinden kann, fragt er Herr M. noch, ob man ihm den entfernten Stein mal zeigen könne. Der sei zur Untersuchung eingeschickt, aber wenn der Patient zum nächsten Krankenhausaufenthalt käme, könne er den Stein sehen. Im Übrigen lägen im Stationszimmer Schmerzmittel für das Wochenende bereit.
Inzwischen ist es Freitag, der Patient ist nachmittags zu Hause. (Übrigens ein beliebter Entlassungszeitpunkt, gern unangekündigt und aus heiterem Himmel, damit das Wochenende zu Hause nur unter Schwierigkeiten organisiert werden kann.)
Bevor Herr M. sich an den Kaffeetisch setzt, tut er zwei Dinge: 1. Er ruft in meiner Praxis an und lässt sich einen Termin für den folgenden Montag geben. 2. Er bittet seine Frau um ein altes Teesieb.