Telemedizin und eHealth sind als Angebot in Zeiten des demographischen Wandels und der immer geringer werdenden Ärztedichte in aller Munde.
Neben bidirektionalen Angeboten wie der Online-Sprechstunde von doctr.com mit direktem Kontakt zum Arzt per hochsicherer Videokonferenz, gibt es in Deutschland etliche uni- sowie bidirektionale Telemonitoringprojekte. Anders als im ersten Fall handelt es sich hierbei nicht um den Kontakt zwischen Arzt und Patient, sondern in erster Linie um den Kontakt des Patienten mit einem Empfangsgerät, das dessen Daten automatisch auswertet.
Bei dieser Gesundheitsbetreuung aus der Ferne wird dem Patienten mehr Verantwortung für seine Gesundheit übertragen. Diese Einbindung hat einen positiven Einfluss auf seine Behandlung. Darüber hinaus ist das Ziel der Fernbetreuung, die Unabhängigkeit und Lebensqualität der Patienten zu erhalten, d.h. sie nicht ausschließlich zur Messung ihrer Werte stationär einzuweisen, unnötige Arztbesuche zu vermeiden und – nicht zuletzt – das Gesundheitswesen finanziell entlasten.
Zielgruppe der Telemonitoring-Produkte sind insbesondere Menschen mit chronischen Erkrankungen wie beispielsweise Diabetiker, Herz- und Schlaganfallpatienten.
Wie Susanne Donner in ihrem Artikel Visite aus der Ferne beschreibt:
„Es soll so einfach sein wie Zähne putzen. Erst mit dem Fuß auf die Waage tippen, damit sie sich anschaltet. Draufsteigen, 83,97 Kilogramm. Dann die Blutdruckmanschette um den rechten Arm legen und den Knopf drücken. Was fehlt noch? Richtig, das EKG-Messgerät, groß wie ein Taschenrechner und mit vier Metallstiften auf der Rückseite, die als Elektroden dienen. Die ältere Dame presst es an den nackten Oberkörper, bis es nach zwei Minuten piept. Danach gibt sie an einem anderen Gerät auf einer fünfteiligen Skala ein, wie sie sich heute fühlt. Sie entscheidet sich für einen Smiley vor grünem Hintergrund, der für exzellentes Wohlbefinden steht. Geschafft! Während sie kurze Zeit später Kaffee aufsetzt, studieren viele Dutzend Kilometer entfernt ein Kardiologe und ein Krankenpfleger im fünften Stock eines Backsteingebäudes der Berliner Charité die [telematisch übertragenen] Vitaldaten der alten Dame – Blutdruck, Gewicht, Herzströme, Stimmung – auf dem Bildschirm.“
Neben dem Ziel, Veränderungen durch regelmäßige Messungen und Vergleichswerte frühzeitig zu entdecken, kann die telematische Überwachung der Patienten einen weiteren positiven Nebeneffekt haben:
„Erst kürzlich verriet die Herzstromaufzeichnung eines 47-Jährigen, dass seine Herzkammern flimmerten und das Blut nicht mehr in rhythmischen Pulsen durch den Körper gepumpt wurde. Köhler deutet auf eine Linie, die unruhig über den Monitor zittert. "Das ist kurz vor dem Tod. Das geht keine zehn Minuten mehr", habe er seinerzeit gewarnt. Die Mitarbeiter riefen den Mann sofort an. Der meinte, es ginge ihm zwar nicht so toll, dies sei aber nicht weiter schlimm. Der Kardiologe ließ sich nicht beirren und schickte sofort einen Notarzt. Der Berliner wurde gerettet. "Wir sind 24 Stunden da, und wir handeln sofort", versichert Köhler.“
Es wurde darüber hinaus festgestellt, dass telemedizinisch betreute Patienten ihre Medikamente regelmäßiger nehmen: 85 Prozent statt sonst nur 30 Prozent.
Die Vorteile einer telemedizinischen Versorgung sind offensichtlich. Bisherige Studien zeigen, dass Telemonitoring-Systeme Einsparungen in Milliardenhöhe bieten. Es ist möglich, damit bis zu 1300 Euro pro Patient zu sparen. Bei Patienten, Ärzten und Krankenkassen sind die Systeme weitgehend akzeptiert, vermutlich nicht zuletzt weil so die Anfahrt zur Arztpraxis gespart wird, die oft lang, beschwerlich und teuer ist.
Trotz der offensichtlichen Vorteile gehört Telemonitoring noch lange nicht zur Regelversorung. Telemedizin-Pionieren werden viele Steine in den Weg gelegt. Denn
„Das deutsche Gesundheitssystem fordert einen vielfachen Nachweis des medizinischen und gesundheitsökonomischen Nutzens durch Studien, die in Deutschland durchgeführt wurden.“
Doch solche Studien kosten mehrere Millionen Euro. Geld, das viele kleine und mittlere Unternehmen gar nicht haben.
In anderen Ländern ist die Situation einfacher: „In den USA winkt eine staatliche Anschubfinanzierung; in Japan werden Arbeitgeber steuerlich begünstigt, die ihre Beschäftigten telemetrisch betreuen lassen.“
Dazu kommt die Frage der Vergütung – Abrechnungssysteme behindern in der gesamten EU den flächendeckenden Einsatz der Telemedizin. In Deutschland kommen telemedizinische Angebote nur schwer in die Erstattungssysteme der Krankenversicherungen.
Immer mehr telemedizinische Projekte entstehen. Doch um das Gesundheitswesen wirklich entlasten zu können, muss sich in Deutschland noch einiges an den Rahmenbedingungen ändern.
Quellen und weitere Informationen:
Donner, Susanne. (04. August 2010). Visite aus der Ferne. Technology Review.
Idhren. Blood pressure testing. Wikimedia.
Institut Arbeit und Technik.`E-Health@Home-Landkarte. <http://www.iat.eu/ehealth/>`_
Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (18. November 2009). VDE: Weniger Kosten, bessere Betreuung durch Telemonitoring.