Generika – eine Betrachtung (4)

Generika Substitution im praktischen Alltag:

Nicht immer sollte substituiert werden. Hier gibt es Probleme:

Kritische Arzneistoffe mit

  • enger therapeutischer Breite (z.B. Lithium, Theophyllin) – Lithium gibt es in 4 verschiedenen Salzformen. Bei den meisten Stoffen ist es kein Problem zwischen verschiedenen Salzen auszutauschen, aber Lithium hat eine so enge therapeutische Breite und die Salze lösen sich unterschiedlich schnell auf … das kann also vermehrt Nebenwirkungen machen. Falls hier substituiert werden muss, sollte dieselbe Salzform verwendet werden.
  • komplexer Pharmakokinetik (z.B. Phenytoin) Phenytoin wird metabolisisert und zwar in geringen Konzentrationen rascher als in grossen Konzentrationen … ab einer gewissen Schwelle wird der Abbau also verlangsamt und die Plasmakonzentration steigt rasch an … und damit die Nebenwirkungen.
  • starker individueller Blutspiegelschwankung (z.B. Nifedipin) – Nifedipin wird nur zu etwa 50% Bioverfügbar, wegen grossem first Pass Effekt (Abbau in der Leber). Der First Pass kann je nach Umgebung / Tabletteneigenschaften unterschiedlich sein.
  • geringer Löslichkeit (Mephenaminsäure, Ciclosporin), Bei sehr schlecht löslichen Wirkstoffen hängt die Bioverfügbarkeit stark von Teilchengrösse ab. Darum sind  Generika von Ponstan z.T einiges schlechter wirksam. Beim Ciclosporin riskiert man eine Organabstossung.

Kritische Indikationsgruppen

  • Antiepileptika – brauchen eine individuelle Einstellung s. Beispiel unten.
  • Antikoagulantien – mühsam individuell einzustellen
  • Digitalisglykoside – geringe therapeutische Breite
  • Immunsuppressiva – Cyclosporin. Risiko Organabstossung sollte man nicht eingehen…
  • Orale Antidiabetika (v.a Sulfonylharnstoff) diese setzen Insulin frei. Bei Generika gibt es häufiger Hypoglykämien.
  • Psychopharmaka (Neuroleptika, nicht Antidepressiva), werden eingestellt, die Konzentration korreliert hier nicht unbedingt mit den Nebenwirkungen. Problem: z:Bsp. Leponex (Clozapin), der Einsatz führte zu Verhaltensänderung bei den Patienten, Halluzinationen, Manien.
  • Zytostatika – komplexe Kinetik, den Einsatz sollte man den Fachärzten überlassen

Beispiel Antiepileptika:
Bei Neueinstellungen, oder erforderlichen Umstellungen sind Generika ok (aber auch hier gibt es bei 50% Reaktionen)
Bei bestehenden Therapien mit Anfallsfreiheit und geringen Nebenwirkungen: keine Substitution!
Der Grund: 1-2 % Rezidivanfälle nach Umstellungen. Selbst ein Einzelner Rezidivfall kann schwere sozial-medizinische Konsequenzen haben (Führerscheinverlust, Arbeitsplatzverlust …). Verbesserung Kosten-Nutzen Verhältnis ist hier fraglich.

Ein weiteres Problem: der Wechsel zwischen Generika ist oft nicht gut, wegen derer unterschiedlicherer Eigenschaften – mehr als zwischen Original und Generikum!

Problematische Patientengruppen:

  • Alte Patienten – verunsicherte, ängstliche Patienten (Arzneiform, Farbe, Name) – z.B. die alte Patientin die täglich 9 Tabletten schlucken muss. Dabei weiss sie genau: es sind 2 gelbe, 1 weisse …etc. …. und jetzt ist eine auf einmal rot. Die nimmt sie dann oft einfach nicht, ohne etwas zu sagen.
  • Neurotische Patienten (Compliance, Placebo-/Nocebo-Effekt) – diese glauben an Medikament, weil es längere Zeit gewirkt hat. Die reden sich ein: das neue kann nicht genau gleich wirken! Wenn man nicht an das Medikament glaubt ist die Chance, dass die Wirkung reduziert ist auch grösser.
  • Patienten mit Niereninsuffizienz: – Generika werden nicht am Kranken getestet und das kann Unterschiede geben!

Zusammenfassung:

Fragliche Substitutionen- hier sollte man ein Original nicht durch ein Generikum ersetzen:
• Arzneistoffe mit geringer Bioverfügbarkeit und enger therapeutischer Breite
• Kritische Indikationsgruppen
• Problematische Patientengruppen
• Gut eingestellte chronische Therapien, schwere Krankheitszustände
• Polypharmazie

Besonders zu beachten:
Verwechslungsgefahr (komplizierte DCI-Namen, Präparate-Namen) …
Mehrfacheinnahmen: Es gibt Leute die Hamstern und Vorräte anlegen von ihren Medikamenten. Wird nun neu ein Generikum verschrieben oder abgegeben, kann es sein, dass sie gleichzeitig die alte und die neue Form einnehmen – das gibt Überdosierung, Nebenwirkungen etc.

So, das war es mit der Mini-Reihe zu den Generika. Ich hoffe, es hat euch etwas gebracht und war nicht zu Fachwörterlastig (es ist einfach kürzer mit denen).

Tagged: Arbeit, Arzneimittel, Generika

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