Nun ist die letzte Woche meines Praktikums angebrochen und mein medizinischer Blick wird immer schärfer. Am Wochenende habe ich mein Leben in vollen Zügen genossen. Da bin ich nämlich mit einem großen nationalen schienengebundenen Menschentransportdienstleister (Name der Redaktion bekannt) ins Irgendwo zwischen Hessen, Bayern und Thüringen gefahren. Auf dieser Fahrt drängte sich mir die Idee für ein neues Medproduct auf:
Das Bahnkrankheitenlexikon.
MRSB (Multiresistente Störungsignoranz auf Bahnfahrten):
MRSB-Erreger kommen vorwiegend in Ruheabteilen von ICEs vor. Sie befallen hauptsächlich Besitzer von Handys und mp3-Playern. Von MRSB betroffene Reisende fallen oft durch lautes Telefonieren oder extrem lauf aufgedehte Musik auf. In den meisten Fällen lähmt der aggressive Erreger direkt die Sozialrezeptoren der Betroffenen. Niederschwellige Einstiegstherapeutika der Mitreisenden, wie Augenrollen, scharfe Blicke und subtile Gesten, zeigen keine Wirkung. In vielen Fällen lässt sich MRSB nur durch die rigorose Isolation der Betroffenen von sämtlichen technischen Geräten heilen. Allerdings hat eine solch drastische Therapie oft erhebliche Nebenwirkungen (siehe Hämatom, Fraktur Os nasale und Commotio cerebri).
Collum-Viae-Syndrom:
Beim Collum-Viae-Syndrom handelt es sich um eine psychosomatische Erkrankung. Das im Volksmund Bahnhals genannte Syndrom kann zahlreiche Ursachen haben. Meist zeigt sich der Bahnhals durch einen sprunghaften Anstieg des Pulses, der meist mit einer massiven Adrenalinausschüttung einhergeht. Auch ein Anschwellen des Halses und eine dunkelrote Verfärbung des Gesichts kann bei vielen Betroffenen beobachtet werden.
In vielen Fällen reicht schon ein Blick auf die Anzeigetafel des Bahnhofs, um den Bahnhals auszulösen. Auch Lautsprecherdurchsagen, die mit „Bitte beachten Sie: Aufgrund einer…“ beginnen, können einen spontanen Bahnhals auslösen. Bei Fernreisezügen ist die Mitnahme von Gepäck ein häufiger Auslöser des Collum-Viae-Syndroms, da der nationale schienengebundene Menschentransportdienstleister bei der Konstruktion der Fernzüge offensichtlich nicht damit gerechnet hat, dass die Fernreisenden mit Gepäck unterwegs sein könnten.
In den letzten Jahren hat sich der Bahnhals zu einer wahren Volkskrankheit entwickelt. Viele Erkrankte suchen ihr Heil in spontanen, verbalen Kurz-Gruppentherapien auf dem Bahnsteig oder im Zug. Mittlerweile gibt es auch die Möglichkeit der Online-Therapie. In schweren oder chronischen Fällen kann ein Umstieg auf das Auto unumgänglich sein.
Bahnstoß:
Der Bahnstoß ist eine einseitige Verletzung, die immer an meatösen (also zum Gang hin gelegenen) Körperteilen der Betroffenen auftritt. Meist sind Ellenbogen (Articulatio cubiti) oder Knie (Articulatio genus) betroffen. Oft entwickeln sich an betroffenen Körperstellen ausgeprägte Hämatome. Aktuelle Studien belegen, dass sich der Bahnstoß als Kontaktinfektion über die Gepäckstücke anderer Bahnreisender überträgt. Eine Übertragung durch die Servierwagen des Servicepersonals ist ebenfalls möglich. Die Differenzialdiagnose in Abgrenzung zum Flugstoß ist schwierig und wird meist nur durch die genaue Lokalisation des Ansteckungsortes möglich.
Es ist empfehlenswert, zur Prophylaxe die zum Gang hin gelegene Armlehne zu meiden und den Arm möglichst körpernah anzulegen. Auch das Knie sollte möglichst weit weg vom Gang (Meatus) gelagert werden. Alternativ bietet die Reservierung eines Fensterplatzes einen wirksamen Schutz gegen den Bahnstoß. Diese Reservierung muss jedoch bei jeder Bahnfahrt aufgefrischt werden.
Mal schauen, was die Chefin sagt. Ich glaube, in der Idee steckt noch Potential. Und die Zielgruppe ist riesig.