Hausärzte sind Helden

Kaiser Wilhelm streckt mir seine Hand entgegen.
“Herr Kollege, ich bringe Ihnen die Frau Welfenstein!“ sagt er mit feierlich-fester Stimme, die keinen Widerspruch duldet.
„Was können wir für die Dame tun?“
„Jetzt geht’s schon wieder etwas besser,“ fährt Kaiser Wilhelm fort, „aber vorhin, da hätte ich fast den Notarzt gerufen!“
„Okay?“
„Die Nachbarn haben mich angerufen. Aus der Wohnung von Frau Welfenstein käme Rauch…“
Aha? Ich wusste gar nicht, dass Hausärzte gelegentlich auch die Aufgaben der Feuerwehr übernehmen.
„…ich bin also sofort hingefahren,“ fährt Dr. Kaiser fort, „bin mit meinem Zweitschlüssel in die Wohnung gegangen und habe Frau Welfenstein auf dem Fußboden in der Küche liegend aufgefunden. Der Qualm kam von einer Bratpfanne. Ich reiße also das Fenster auf, nehme die Pfanne vom Herd und kümmere mich um meine Patientin. Der Blutzucker war bei knapp dreißig. Ich habe ihr also Glucose gespritzt, da ist sie wieder zu sich gekommen. Puls und Blutdruck waren stabil, also habe ich sie ins Auto gepackt und hergebracht…“
Jeder Andere hätte einen Krankenwagen geholt. Nur Kaiser Wilhelm bringt seine Patienten persönlich her.
„Vielen Dank, Herr Kollege!“
„Keine Ursache. Kümmern Sie sich halt um die Dame und geben Sie mir bei Gelegenheit Bescheid!“
Dann geht er langsam über den Flur in Richtung Ausgang, in der linken Hand seine altmodische Arzttasche haltend und mit der rechten Hand immer wieder zu allen Seiten hin grüßend.
, während sich in der Eingangshalle zahlreiche Patienten nach ihm umdrehen.
Es fehlt nicht viel und sie würden sich verbeugen.
Frau Welfenstein ist längst bei Bewußtsein, zwar noch ein wenig matt, aber sie strahlt übers ganze Gesicht.
„Wenn der Herr Doktor mich nicht gefunden hätte…“ sagt sie.
Dann hätten die Nachbarn wohl die Feuerwehr gerufen. Und den Notarzt. Und wir hätten uns so oder so hier getroffen.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *