Patientenorientierung auf der Fahne
Im Sommerloch, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich in den letzten Monaten eine Patiomed AG gegründet. Patiomed steht für Patienten-orientierte-Medizin, das ist doch super. Da bin ich dabei! Aber wenn man genauer hinsieht, dann wird einem mulmig. Da haben 2008 ca. 30 KV-Vorstände (KV = Kassenärztliche Vereinigung) eine “Askulap-Stiftung” mit einem Teil ihres Privatvermögens gegründet. Daran wurde dann von eine KVmed GmbH angegliedert. Diese unterstützt nun zusammen mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank dem deutschen Ärzteverlag die PatiomedAG. Diese hat sich die bundesweite Gründung von Ärztlichen Versorgungszentren auf die Fahnen geschrieben. Angeblich um die “Freiberuflichkeit” der Ärzte zu erhalten.
Scheinbare Selbstlosigkeit
Werden nun urplötzlich Banken, Verlagsunternehmen und KV-Größen zu uneigennützigen Samaritern? Das ist schwer zu glauben. Wie aus einem Artikel des Müchner Merkurs vom 24.08.2010 hervorgeht, möchte Patiomed innerhalb der nächsten 10 Jahre 100 Medizinische Versorgungszentren gründen. Die Mitarbeiterzahl bei Patiomed soll bis 2020 von heute 4 auf 1700 steigen! Auch konkrete Gewinnerwartungen stehen wohl schon im Raum.
Der Kassenarzt scheint die eigenen Henker zu bezahlen
Etwas seltsam ist es schon, dass sich letztlich auch von mir hochbezahlte Funktionäre der Kassenärztlichen Vereinigungen da zusammen tun, um Arztsitze aufzukaufen. Da eben diese KVen für die Besetzung der Arztsitze und die Honorarverteilung mit verantwortlich sind, beschleicht einen schon ein böses Gefühl. Ganz gezielt könnten einzelne Regionen oder Fachgruppen durch Honorarverschiebungen in die Enge getrieben werden. Patiomed weiß sowohl über die Bedarfsplanung (über die KV-Funktionäre), als auch meist über die finanziellen Hintergründe der einzelnen Praxen (über die Dt. Ärzte- und Apothekerbank) Bescheid. Das schreit nach Interessenskonflikt.
Gezielte Verwerfungen im Honorarsystem zum Einstieg?
Die zum Teil katastrophalen und völlig unverständlichen Honorarverschiebungen der letzten beiden Jahre erscheinen einem da in einem ganz anderen Licht. Werden hier die ersten Praxen “sturmreif” geschossen? Ich hoffe, ich bin nur gerade etwas paranoid, ich will das alles eigentlich gar nicht glauben.
Habsucht und Eigennutz als politische Maxime
Der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft, einer quasi alternativen Standesorganisation kritischer Ärzte, Dr. Grauduszus, nannte Patiomed einen “unglaublichen Vorgang”. Er sieht hier den Übergang von der Demokratie zur Ochlokratie vollzogen. Während bei der Demokratie idealerweise das Gemeinwohl im Vordergrund stehen soll, haben die Regierenden in der Ochlokratie nur noch Habsucht und Eigennutz, ohne noch Verantwortung für andere wahrzunehmen, im Sinn.
Und das Allerschlimmste: die meisten Kollegen schweigen und lassen sich scheinbar wie die Lämmer zur Schlachtbank führen.
Kritische Töne hört man kaum, in Bayern vorwiegend vom Bayerischen Facharztverband. Oh wie ich hoffe, dass ich heute einfach nur einen paranoiden Tag habe und all meine obigen Befürchtungen Hirngespinste sind. Schönen Sonntagabend an alle.
Einsortiert unter:Kranke Gesundheitspolitik Tagged: Ärzte, Bayerischer Facharztverband, Grauduszus, Kassenärztliche Vereinigung, Medizin, MVZ, Patiomed