Frau Namenlos (Teil 2)

Tja, was machen wir mit der verwirrten alten Dame? Das ist echt eine gute Frage. Jedenfalls bin ich erleichtert, dass von ihr keinerlei Gefahr für eigenen Leib und Leben ausgeht, was bei Polizei-Patienten ja nun leider nicht immer selbstverständlich ist.
„Haben Sie irgendwelche Informationen?“
Die Beamten verneinen.
„Keine Geldbörse, nichts. Nur ein Schlüsselbund. Aber der nutzt uns reichlich wenig.“
Inzwischen ist die Patienten aufgestanden und schluft mit ihrem Stock den Gang entlang.
„Guten Tag, gute Frau. Wo möchen Sie denn hin?“
„Nach Hause!“
Aha, sie kann also reden!
„Wo ist denn das?“
Sie starrt mich mit großen Augen an.
„Können Sie mir Ihre Adresse verraten?“
Unverständliches Gemurmel.
„Wollen Sie mir sagen, wie Sie heißen?“
Sie scheint angestrengt nachzudenken, sagt dann aber nichts.
Ob sie etwa einen Schlaganfall hat? Hängender Mundwinkel? Kraftminderung? Zumindst auf den Ersten Blick nichts Eindeutiges.
Kann man trotzdem als Verdacht auf TIA laufen lassen, dann noch Demenz und Verwirrtheitszustand unbekannter Ursache, da haben wir schon einmal eine Reihe von Diagnosen. Damit läßt sich ein stationärer Aufenthalt der Kasse gegenüber rechtfertigen und für die Belegungsstatistik macht sich das auch ganz gut. Besser wäre es natürlich, wir würden ihr ein paar neurlologische Ausfälle andichten, dann würde die Verwaltung sich richtig freuen, aber wir wollen ja nicht übertreiben.
„Wissen Sie, wo wir hier sind?“
„Ja“
„Wo denn?“
„In….“
Der eine Polizist schüttelt den Kopf.
„Ja, wir gehen dann mal wieder. Viel Glück noch!“
„Und Sie melden sich, wenn Sie etwas erfahren?“
„Selbstverständlich!“
Und ich nehme die Gute erstmal stationär auf. EKG, Blutabnahme, Infusion anhängen, und nach der Frühbesprechung schauen wir dann mal, ob wir noch weitere Untersuchungen machen…
Ich lege Marvin die Blutröhrchen auf den Schreibtisch.
„Chef?“
„Meinst Du mich?“
„Was für einen Namen geben wir denn ein?“
„Hmmm.“
„Ohne Namen kann das Labor die Proben nicht bearbeiten. Und auf Station kann sie auch nicht!“
„Warum?“
„Weil sonst die EDV spinnt!“

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