Bei der Abschlusskonferenz der Aktionswoche zeigt eine Frau aus Malawi, worum es geht: um Menschenleben. Das Aktionsbündnis gegen AIDS fordert von der Bundesregierung eine Verdoppelung der jährlichen Zahlungen an den Fonds. Der Globale Fonds selber drängt auf eine verbindliche Zusage für die nächsten drei Jahre
Joyce Joan Kamwana lebt. Das ist ein kleines Wunder, denn die 47-Jährige aus Malawi ist seit Mitte der 80er Jahre HIV-infiziert. Ihr Mann ist schon vor 19 Jahren gestorben, aber sie überlebte. 75 Helferzellen hatte sie noch, als sie zum ersten Mal Medikamente erhielt, nachdem sie einen Job bei der UNO bekommen hatte. Seit sechs Jahren erhält sie ihre Medikamente nun über ein Programm, das vom Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria finanziert wird.
Joyce Joan Kamwana ist Botschafterin der Kampagne „Here I am“. Nach Berlin ist sie gekommen, um zu berichten, warum sie lebt – und dass ihre beiden Töchter keine Waisen geworden sind, weil es diese Medikamente gibt. In einem Zelt vor dem Bundeskanzleramt hat sie Platz genommen zwischen einem Vertreter des Aktionsbündnisses gegen Aids (AgA), einem Herrn vom Globalen Fonds und einer Vertreterin des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO). Kamwana will verdeutlichen, worüber hier gesprochen wird: über Menschen wie sie.
„Bevor der Globale Fonds in Malawi aktiv war, starben dort 10 Menschen pro Stunde an Aids. Jetzt stirbt noch ungefähr ein Mensch pro Stunde“, sagt Kamwana.
Aktionsbündnis gegen AIDS: Kürzungen würden den Erfolg der Geberkonferenz insgesamt gefährden.
Die Pressekonferenz im Zelt bildet den Abschluss einer Aktionswoche gegen die erwarteten Kürzungen der Bundesregierung beim Globalen Fonds. Der Globale Fonds selbst hat die Bundesregierung heute aufgefordert, Geld für die Jahre 2011 bis 2013 verbindlich zuzusagen:
„Wir haben einen dreijährigen Finanzierungszyklus, um vernünftig planen zu können und kontinuierliche Programme zu gewährleisten“, sagt Dr. Christoph Benn, Direktor für Außenbeziehungen beim Globalen Fonds. „Wir wissen doch alle: Bei HIV geht es um eine langfristige Behandlung – wenn diese unterbrochen wird, ist Leben in Gefahr.“
Das Aktionsbündnis gegen Aids geht noch einen Schritt weiter und fordert die Bundesregierung auf, den Beitrag der letzten Jahre von 200 Millionen Euro pro Jahr auf 400 Millionen zu verdoppeln, statt zu kürzen. Angela Merkel solle auf der Geberkonferenz des Globalen Fonds am 4. und 5. Oktober in New York eine entsprechende Zusage machen. Eine Kürzung des drittgrößten Geberlandes würde hingegen „ein negatives Signal für andere Geber senden und den Erfolg der Wiederauffüllungskonferenz insgesamt gefährden.“
“Wenn beim Globalen Fonds gekürzt wird, gibt es bald wieder mehr Waisenkinder”
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) will bis zur Konferenz in New York keine verbindlichen Aussagen machen, hat aber bereits angekündigt, ab 2012 verstärkt auf bilaterale Maßnahmen zu setzen statt auf den Globalen Fonds (aidshilfe.de berichtete).
Die Deutsche AIDS-Hilfe hat diese Entscheidung des BMZ scharf kritisiert. Ebenso heute das Aktionsbündnis gegen AIDS: Bilaterale Maßnahmen würden in den Empfängerländern unnötig viel der knappen Zeit und Verwaltungskapazitäten binden, außerdem verfügten die deutschen Durchführungsorganisationen und das BMZ nicht über die nötigen personellen Ressourcen.
Der Globale Fonds hat bisher 5,7 Millionen Menschen das Leben gerettet. Knapp die Hälfte der rund fünf Millionen, die in wirtschaftlich benachteiligten Ländern eine HIV-Therapie erhalten, verdanken sie dem Fonds. Allein im letzten Jahr ist eine halbe Million Menschen hinzugekommen. An diese Erfolge kann der Fonds nur anknüpfen, wenn sein Etat in den kommenden Jahren noch aufgestockt wird.
„Viele von uns sind vom Totenbett wieder aufgestanden und nun gesund und produktiv für unsere Familien, die Gesellschaft, unser Land“, sagt Joyce Joan Kamwana. „Wenn die Zahlungen an den Globalen Fonds ausbleiben, müssen wir zurück auf Los. Viele Menschen werden keine Medikamente mehr bekommen, krank werden und sterben, die Gesundheitssysteme werden das nicht auffangen können. Es wird auch wieder viele Waisenkinder geben.“
UN-Millenniumsziele in Gefahr – Aufstockung der Zuwendungen notwendig
Christoph Benn verweist außerdem auf die UN-Millenniumsziele im Kampf gegen Armut. Die sehen vor, bis zum Jahr 2015 die Mutter-Kind-Übertragung von HIV zu stoppen und Malaria massiv einzudämmen. „Ob diese Ziele erreicht werden können, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Entwicklungsbudgets im erforderlichen Maße erhöht werden“, sagt Benn. Darüber wird auch beim UN-Gipfel zu den Millenniumszielen gesprochen werden, der vom 20. bis 22. September ebenfalls in New York stattfindet.
Christoph Benn hat in den letzten Tagen Gespräche im BMZ geführt. Das Klima sei angenehm gewesen, erzählt er auf der Pressekonferenz, der öffentliche Protest sei dort offenbar angekommen. Was das konkret bedeutet? Am 5. Oktober wissen wir es.
(Holger Wicht)