Von Peter Wiessner
Schade, dass der UN-Gipfel zu den Millenniumszielen in New York (wir berichteten) nicht im Dezember stattfand! Bundeskanzlerin Merkel und Entwicklungshilfeminister Niebel hätten sich dann mit Tannenbaum vor dem UN-Hauptquartier fotografieren lassen können. Auf dem Gipfel ging es ein bisschen zu wie an Weihnachten: Man war nett zueinander, Versprechungen und Geschenke wurden ausgeteilt. Es gab Zuckerbrot, verknüpft mit wohlmeinenden Ermahnungen fürs kommende Jahr. Man einigte sich auf ein allgemein gehaltenes Abschlussdokument, das Raum für Interpretation und viele Fragen offen lässt.
Kanzlerin Merkel betont in ihrer Rede auf dem UN-Gipfel, dass nach wie vor Ausgaben für Entwicklungshilfe in Höhe von 0,7 % des Bruttonationaleinkommens angestrebt werden. Auch die Unterstützung für den Global Fund werde weiterhin „auf hohem Niveau“ erfolgen. Konkrete Zahlen, ein Zeitplan und eine Strategie wurden bedauerlicherweise nicht genannt. Das lässt für die im Oktober stattfindende Konferenz zur Wiederauffüllung des Globalen Fonds Ungutes erwarten – und viel Raum für Spekulationen.
Auf dem Gipfel ging es zu wie an Weihnachten
Dass es auch anders geht, zeigt die französische Regierung, die dem Globalen Fonds in den kommenden drei Jahren 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Die Bundesregierung bleibt bei mickrigen 200 Millionen für das kommende Jahr und lässt alles Weitere offen.
Zurück zu traditionellen Modellen der Entwicklungshilfe
Niebel (FDP) plädiert dafür, die Entwicklungshilfe zukünftig mehr in bilateralen Bezügen und durch Geld aus der privaten Wirtschaft auszurichten. Das ist ein Schritt zurück zu traditionellen Formen der Entwicklungspolitik, als Gebernationen und Initiativen unkoordiniert nebeneinanderher arbeiteten. Diese Form der Entwicklungszusammenarbeit hat erhebliche Nachteile: Sie ist ineffektiv, meistens an den Interessen des Geldgebers orientiert, verschlingt Unsummen für die Verwaltung, ist hoch anfällig für Korruption und ihre Ergebnisse sind kaum überprüfbar.
Für die Wirtschaft hat diese Form der „Entwicklungshilfe“ natürlich große Vorteile: Es lassen sich damit neue Absatzmärkte erschließen, und durch die Unterstützung mildtätiger Projekte kann die Profitgier besser verschleiert werden: warum beispielsweise nicht in Zukunft entlang neuer Pipelines das eine oder andere HIV-Projekt mitfinanzieren? Sicherlich ließe sich auch für jeden verkauften Panzer die Therapie einer Handvoll HIV-positiver Kinder organisieren. Das gäbe dann ja auch hübsche Fototermine, die vermarktet werden können.
Entwicklungshilfe ganz im Sinne der Wirtschaft
Um die Millenniumsziele erreichen zu können, braucht die Weltgemeinschaft weitere konzertierte Anstrengungen. Die Idee der Einzahlung in gemeinsame Fonds hat sich bewährt. Wie erfolgreich gemeinschaftliche Aktivitäten sein können, ist durch die Arbeit des Globalen Fonds bestens dokumentiert.
Die Verantwortlichen der Regierungen in Entwicklungsländern im Blick, betonte Merkel in ihrer Rede, dass nachhaltige Entwicklung, wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt ohne eine gute Regierungsführung und Achtung der Menschenrechte nicht zu haben sind. Das hat sie gut gesagt und dem ist eigentlich auch nichts hinzuzufügen. Vor allem dann nicht, wenn auch das Handeln der eigenen Regierung im Blickfeld bleibt.
Deutschland darf sich nicht aus der gemeinsamen Verantwortung stehlen. Die Welt braucht zur Erfüllung der Millenniumsziele bis 2015 mehr als inhaltsleere Versprechungen. Wie schade, dass die Kanzlerin die Chancen in New York nicht genutzt hat!
Peter Wiessner ist Diplom-Sozialwissenschafter, langjähriger freiberuflicher Mitarbeiter der DAH und Mitglied der European AIDS Treatment Group mit Interesse an HIV-, Menschenrechts- und Gesundheitspolitik.