vfa greift dem Gesundheitsministerium unter die Arme

Nach Medienbrichten sollen künftig die Bewertungkriterien für Medikamente auch von der Politik festgelegt werden. Formulierungen im Entwurf für eine entsprechende Verordnung hat die Regierung laut “Süddeutscher Zeitung” fast wortgleich von der Pharmalobby übernommen.

Wie wortgleich, zeigt ein Vergleich der Dokumente:

Der “vfa-Vorschlag für eine Rechtsverordnung zur
(frühen) Nutzenbewertung nach § 35a SGB V
(AMNOG): vfa_vorschlag rechtsverordnung (pdf, 68 KB)

“Das Nähere zur Nutzenbewertung regelt das Bundesministerium für Gesundheit in einer Rechtsverordnung. Darin wird insbesondere festgelegt, welche Grundsätze für die Bestimmung der Vergleichstherapie gelten, in welchen Fällen zusätzliche Nachweise notwendig sind, unter welchen Voraussetzungen Studien welcher Evidenzstufe zu verlangen sind sowie Übergangsregelungen für diejenigen Arzneimittel, mit denen bereits Studien begonnen oder abgeschlossen wurden; weitere Einzelheiten regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.”

Die Formulierungshilfe für den Änderungsantrag 2 der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherungen: 10-09-08_amnog neufassung ndantrag (pdf, 14 KB)

“Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats das Nähere zur Nutzenbewertung. Darin ist insbesondere fest zulegen, welche Grundsätze für die Bestimmung der Vergleichstherapie gelten, in welchen Fällen zusätzliche Nachweise erforderlich sind, unter welchen Voraussetzungen Studien welcher Evidenzstufe zu verlangen sind, sowie Übergangsregelungen für diejenigen Arzneimittel, für die bereits Studien begonnen oder abgeschlossen wurden; der Gemeinsame Bundesausschuss regelt weitere Einzelheiten erst mals innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten der Recht sverordnung in seiner Verfahrensordnung.”

Das BMG verweist nun darauf, dass der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf der Grundlage des Referentenentwurfes entstanden sei, der vom Kabinett beschlossen und bereits im Juli in den Bundestag eingebracht worden ist. Wer hat nun bei wem abgeschrieben?

Interessant ist für die Beantwortung dieser Frage, dass der Absatz a) augenscheinlich nachträglich eingefügt worden ist. Das kann lässt sich an den Änderungsmarkierungen erkennen. Die weiteren Punkte, die im “Änderungsantrag 2” abgehandelt werden, betreffen die Freistellung von Orphan Drugs und Arzneimittel, für die den Krankenkassen nur geringfügige Ausgaben entstehen, von der Nutzenbewertung. Beides notwendige Präzisierungen des Gesetzentwurfs.

Es sieht so aus, als sei dieser für Kleinigkeiten gedachte Antragsentwurf genutzt worden um kurzfristig die Formulierungswünsche der Pharmaindustrie zu erfüllen. Nämlich das Bundesgesundheitsministerium per Rechtsverordnung zu befähigen, Kriterien festzuschreiben, nach denen der Nutzen eines neuen Medikaments bewertet wird. Mit der Unabhängigkeit der Selbstverwaltungsgemien und des IQWiG wäre es vorbei. Auch eine Art von Staatsmedizin, vor der der vfa sonst gerne warnt.

Die Rechtsverordung selber liefert der vfa auch mit. Auf diesen Vorschlag wird noch näher einzugehen sein.


Update:
Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des vfa hat eine weitere Erklärung parat, wer von wem abgeschrieben hat: „Das geplante Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) enthält Formulierungen, die in der anschließenden Diskussion auch vom vfa aufgegriffen wurden. Wenn diese Formulierungen jetzt im weiteren parlamentarischen Verfahren wieder auftauchen, hat nicht die Politik bei der Industrie, sondern allenfalls das Parlament beim Bundesgesundheitsministerium abgeschrieben.“

Lügen haben kurze Beine: Den Vorwurf, man habe beim Lobbyverband abgeschrieben, wies das Ministerium zurück und erklärte seinerseits, der vfa habe aus dem bereits im Juni eingebrachten Gesetzentwurf abgeschrieben. Eine irreführende Behauptung: Dass die entscheidende Änderungspassage dort noch gar nicht enthalten ist, musste eine Ministeriumssprecherin auf Nachfrage bestätigen

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