Damals, als ich noch jung war und kurz vor meiner Rettungsassistentenprüfung stand (also vor einem halben Jahr), trug sich die folgende wahre Geschichte zu.
Zwei Wochen vor der Prüfung waren wir natürlich alle wie die aufgescheuchten Hühner. Im Unterricht waren jetzt nahezu jeden Tag Repetitorien angesagt, in denen uns bewusst wurde wieviel wir doch noch dringend lernen mussten, und außerdem gab es an jedem Tag auch noch Praxistraining in allen prüfungsrelevanten Sachen.
So wurden wir in drei Gruppen eingeteilt, mit internistischen und chirurgischen Fallbeispielen gequält und durften natürlich auch stundenlanges Megacodetraining durchleiden.
Um einen ganz besonders tollen Nachmittag beim Megacodetraining soll es in diesem Artikel gehen.
Nachdem der Dozent, der die Sache ursprünglich leiten sollte, kurzfristig verhindert war, musste ein anderer, uns bis dahin noch unbekannter Dozent einspringen.
Der Gute machte sich in unserem Kurs allerdings recht schnell einen Namen…
Mein Teampartner und ich hatten das große Glück verdammte Pech, als erstes gefoltert zu werden reanimieren zu dürfen.
Es fing schon vor der verschlossenen Tür seltsam an. Als ich mich gerade hingekniet hatte, um den Koffer zu öffnen und zu kontrollieren, ob alles (und auch in ausreichender Zahl) vorhanden und funktionstüchtig war, wurde ich vom genervten Dozenten dazu aufgefordert, den Koffer zuzulassen und mir endlich die Handschuhe anzuziehen. Mein Teampartner und ich tauschten einen erstaunten Blick, und wir erinnerten den Dozenten daran, dass wir den Koffer erst checken mussten – wird ja in der Prüfung auch so verlangt. Wenn irgendwas dann in der Prüfungssituation nicht vorhanden ist, sind wir nämlich am Ende die Dummen. Mal davon abgesehen ist es im wahren Leben auch eher scheiße, ohne Material beim Patienten aufzutauchen, weil niemand mal nachgeguckt hat…
Der Dozent versicherte uns, dass alles vorhanden war und meinte dann, dass wir für’s Kofferchecken nicht genug Zeit hätten, weil wir ein großer Kurs mit vielen Teams wären und es ohnehin schon knapp genug wär. Okaaay, bis dahin hat es auch immer geklappt, aber nun gut.
Bereits leicht genervt betraten mein Teampartner und ich also den MC-Raum, und dann nahm das Unheil seinen Lauf…
Netterweise war unser Patient noch bei Bewusstsein.
(Sorry Patient, aber das habe ich beim Megacodetraining immer am meisten gehasst! Wenn Du schon tot daliegst, kann man sich wenigstens schön nach dem Algorithmus um Dich kümmern. So ist es halt verwirrend und schwierig, im richtigen Zeitpunkt vom Darsteller zum Dummy zu wechseln, und überhaupt – beim Megacodetraining ist es echt blöd, wenn der Mensch anfangs noch rumhampelt!)
Jedenfalls ging es dem Patienten wohl nicht ganz so gut, er hatte laut eigener Aussage AP-Beschwerden und laut Dozent war der Puls seeeeeehr schnell. Da haben wir also das Pulsoxy drangehangen, mein Teampartner hat ihm die EKG-Elektroden aufgeklebt und ich wollte in der Zwischenzeit mal Blutdruck messen, um zu gucken, ob Nitro eventuell möglich wäre.
Was ich auch getan hätte, wenn im Koffer ein Blutdruckmessgerät vorhanden gewesen wäre.
Tja, scheiße. In dem Moment ging mir außer „Fuck!“ nicht mehr viel durch den Kopf, ich hab den Koffer noch einmal nahezu panisch durchwühlt und dann meinen Teampartner informiert. Er schien auch nicht besonders glücklich darüber zu sein. Nitro hatte sich damit natürlich erledigt.
Ab diesem Moment habe ich den Dozenten in Gedanken mit einigen durchaus unschönen Ausdrücken bezeichnet.
Aber das war natürlich noch nicht alles, der Spaß hatte gerade erst begonnen!
Besonders lange blieb unser Patient mit dem unbekannten Blutdruck nämlich natürlich nicht mehr bei Bewusstsein, und wir durften endlich zum Megacode-Dummy wechseln.
Atmung und Kreislauf verließen ihn auch recht schnell, und mein Teampartner und ich gewannen langsam wieder Fassung und Selbstsicherheit zurück und arbeiteten unseren Algorithmus ab. Leider zeigte sich recht schnell eine weitere Komplikation, der Dummy ließ sich nämlich leider gar nicht bebeuteln. Da hab ich dann ein weiteres Mal geguckt, ob die oberen Atemwege auch wirklich frei waren (waren sie, und dabei hatte ich schon erwartet, dass der Dozent ihm ein Verbandpäckchen bis zum Anschlag in den Rachen gestopft hatte…), den Kopf ein bisschen mehr überstreckt, die Maske ein wenig fester aufs Gesicht gepresst – vergebens.
Nun gut, dachte ich so in meinem jugendlichen Leichtsinn, dann kriegt der halt nen Larynxtubus. Hätte er auch bekommen, wenn einer auf dem Koffer gewesen wäre. Was hab ich mir nur dabei gedacht, an diesem Punkt noch davon auszugehen, dass der Koffer vernünftig bestückt sein könnte?
Teampartner kurz gefragt, im wievielten Drückdurchgang er sich gerade befindet und gemeinsam beschlossen, dass ich versuchen soll, zu intubieren.
Zu meiner großen Überraschung fand sich tatsächlich alles, was ich für eine Intubation brauchte, im Koffer. Also schnell (aber sorgfältig) den Tubus vorbereitet, das Laryngoskop geschnappt, Spatel aufgesteckt und – Überraschung!
Ohne Batterien blieb es leider dunkel… In diesem Moment war ich einfach nur noch fassungslos, hockte wie erstarrt am Kopfende des Patienten und hatte wohl einen wirklich sehr verzweifelten Gesichtsausdruck.
Im Koffer fanden sich natürlich auch keine Batterien, und als ich dann mal (deutlich genervt) in die Runde gefragt habe, ob irgendeiner der anderen zufälligerweise ein paar Batterien dabei hätte, erstarrte auch mein Teampartner.
Die anderen Teams, die uns zusahen, wirkten auch extrem genervt davon, wie der Dozent uns vorführte.
Dieser Idiot Mensch grinste mich auch noch ganz frech an und erinnerte mich daran, dass die anderen gar nicht anwesend seien und dass ich in der Prüfung auch nicht das Wort ans Publikum richten dürfe. Ja, dankeschön.
Wir waren dann auch nicht mehr sonderlich überrascht, dass mein Teampartner dann beim Zuganglegen nur eine einzige rosa Viggo aus dem Koffer fischen konnte, natürlich ohne Viggopflaster (da kann man natürlich improvisieren, aber das kostet Zeit). Supra gabs natürlich auch nicht im Partyfässchen, sondern nur in 1ml-Ampullen.
Zusammengefasst kann man sagen, dass dieser Dozent uns einfach nur fertigmachen wollte.
Das Ende vom Lied: Unser Patient ist natürlich verreckt.
In der Nachbesprechung direkt im Anschluss an unsere kleine Zirkusnummer hatte der Dozent jede Menge an uns auszusetzen. Wir hätten uns viel zu sehr irritieren lassen von den unerwarteten Komplikationen. In der Prüfung wäre das ja eine klare Sechs gewesen, mit dieser „Leistung“ (er sprach die Anführungsstriche geradezu mit) wären wir mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Er hatte sogar noch die Frechheit, uns daran zu erinnern, dass wir nur noch vier Tage bis zur Prüfung hatten, und teilte uns mit wie entsetzt er war, von angehenden Rettungsassistenten so eine schlechte Reanimation gezeigt zu bekommen.
Sehr geil auch, als er uns dann grinsend mitteilte, dass der Patient zu Anfang noch einen Druck von 120 mmHg sys gehabt hätte und wir mit einer Nitrogabe verhindert hätten, dass er reanimationspflichtig wurde. Danke!
Wir waren aber nicht seine einzigen Opfer, auch die anderen Teams aus unserer Gruppe und aus den anderen Gruppen wurden von diesem Dozenten gnadenlos zum Volldepp gemacht.
Total daneben, sowas vier Tage vor der Prüfung zu bringen.
Das Megacodetraining sollte eine realisische Prüfungssituation sein, und nicht unseren allerschlimmsten Albtraum simulieren.
War natürlich klar, dass unser kompletter Kurs danach völlig demotiviert war und wir an den nächsten Tagen von unserem normalen Megacodedozenten erstmal wieder aufgepäppelt werden mussten.