Eine Nacht mit Jenny (Teil 3)

Jenny hat mich ganz lieb verabschiedet, mit Küsschen auf die Wange.
Trotz der späten Stunde bin ich hellwach, was noch untertrieben ist, ich bin völlig aufgekratzt und tachykard. Das liegt an dem übermäßigen Koffein-Input der letzen Stunden. Kaffeekochen kann Jenny, das muss man ihr lassen. Und kluge Fragen stellen kann sie auch.
Ziemlich gute Fragen. Jedenfalls fühle ich mich inzwischen ziemlich gerädert, ungefähr so gerädert wie nach einem anstrengenden Nachtdienst,
Aufgedreht und müde zugleich stolpere ich durchs Trepenhaus nähere mich der Tür und stolpere hinaus…
„’n Abend, Doktor!“
Wie bitte? Was ist los? Ich reiße die Augen auf. Zwei männliche Gestalten.
„Alles klar?“
Marvin grinst mich an. Den habe ich doch schonmal hier gesehen ungefähr um diese Zeit. Und der Typ neben ihm?
Der sagt gar nichts. Aber er schaut ziemlich böse. Im Halsausschnitt seines Designer-Poloshirts steckt eine Sonnenbrille. Die ist um diese Zeit eigentlich nicht unbedingt notwendig. Was macht ihr beide denn hier um diese Zeit? Aber ich verkneife mir die Frage.
„Alles klar!“ sage ich.
„Wir kommen gerade aus dem ‘Delirium’“ sagt Marvin und beantwortet damit meine nicht gestellte Frage.
„Da arbeite ich nämlich!“ sagt der andere und fixiert mich mit einem Blick, der töten könnte. Habe ich ihm irgendwas getan?
„Kennen wir uns?“ frage ich.
Der andere lacht bitter.
„Kennen wir uns? Und ob wir uns kennen, Doktorchen! Hätte ich Dich mal besser nicht reingelassen am Silvesterabend…
Plötzlich erinnere ich mich: Tom, Türsteher, Notarztfahrer und abservierter Jenny-Verehrer. Die letzte Eigenschaft macht ihn gefährlich. Jedenfalls für mich. Zumal er mindestens eineinhalb Köpfe größer ist als ich. Also mal lieber kleine Brötchen backen, denke ich mir.
„Sehen wir uns morgen?“ fragt Marvin.
„Na klar. In aller Frische!“
„Ich bin gespannt, wie frisch Du bist,“ zischt Tom und grinst ziemlich fies, „Cooler Superheld?“
Wenn er zuschlägt, bin ich der zweite Sieger.
„Oder soll ich sagen Weiberheld?“
Ich sage nichts.
Marvin packt ihn am Arm.
„Gehen wir!“
Das ist mein Stichwort. Ich sehe zu, dass ich Land gewinne.

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